Politiker auf Tour:Wahlkampf mit Kutsche

Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Schulze informiert sich über das geplante Gewerbegebiet Schorn und spricht mit Starnbergs Polizeichef

Von Peter Haacke, Starnberg

Der Wahlkampf in Bayern nimmt langsam Fahrt auf: In 66 Tagen bestimmen rund 9,5 Millionen Wahlberechtigte im Freistaat über die Zusammensetzung des bayerischen Landtags. Große Hoffnungen auf ein Ergebnis jenseits der Zehn-Prozent-Marke können sich die Grünen machen. Der leuchtendste grüne Stern am weiß-blauen Himmel ist Spitzenkandidatin Katharina Schulze: Die 33-Jährige gehört seit 2013 dem Landtag an und ist seit 2017 gemeinsam mit Ludwig Hartmann eine der beiden Fraktionsvorsitzenden. Im Rahmen ihrer Wahlkampf-Sommertournee besuchte die in Herrsching aufgewachsene Schulze die Kreisstadt. Das Programm: ein Gespräch mit Starnbergs Polizei-Chef, ein Ausflug nach Schorn und eine Debatte über Demokratie.

Es ist ein seltsam anmutender Tross, der da munter zwischen Schorn und Bannwald in nahezu unberührter Natur das geplante Starnberger Gewerbegebiet erkundet: Eine offene Pferdekutsche mit Hanni und Nanni im Geschirr, eine Reiterin mit rotem Haar auf prachtvollem schwarzen Ross, es folgen Fußgänger, Hunde, ein Radlfahrer und ein Auto mit Fotografen und Journalisten. Einer Prozession gleich bahnt sich der Zug im Wald auf Schotterwegen in brütender Hitze seinen Weg, bis die Fotografen maulen: Sie wollen endlich ihr Bild machen mit Katharina Schulze, Spitzenkandidatin der Grünen für den Landtag. Die Kutsche zieht noch zwei Kreise auf einem abgeernteten Feld und hält schließlich: Klick, klick - danke, zumindest für die Fotografen war's das.

Katharina Schulze besichtigt Schorn; Schulze in Schorn

Auf Wahlkampf-Tour: Kreisrätin Martina Neubauer (li.) zeigt der Landtagsspitzenkandidatin das geplante Gewerbegebiet Schorn.

(Foto: Fotos: Franz Fuchs/Peter Haacke)

Für die schreibenden Kollegen nicht, es gibt noch einiges zu klären. Flächenfraß ist das Thema, und ausgerechnet hier im idyllischen Schorn, wo Fledermäuse, Amphibien, Reptilien und viele andere streng geschützte Arten ihr Zuhause haben, soll auf 64 Hektar Gesamtfläche ein Gewerbegebiet mit Autobahn-Halbanschluss entstehen. Hightech-Firmen sollen hier angesiedelt werden, kein produzierendes Gewerbe. Die Grünen sind dagegen, der Bund Naturschutz (BN) auch. Jochen Iwan von der BN-Ortsgruppe Starnberg hat nachgerechnet: 2944 Arbeitsplätze bedeuten 5888 neue Einwohner, ein Viertel davon Kinder, die Kindergärten- und Schulplätze benötigen. Gern würde der BN prozessieren, doch er hat kein Geld. Stadt- und Kreisrätin Martina Neubauer, die für den Bezirkstag kandidiert, vermisst Gedanken zu infrastrukturellen Auswirkungen und ein ökologisches Konzept. Riesige Flächen im Wasserschutzgebiet und Bannwald werden versiegelt, um Gewerbesteuern zu generieren.

Die Kritik am Flächenfraß in Bayern - immerhin 13 Hektar pro Tag - ist das Stichwort für Schulze: Ihre Partei will runter auf fünf Hektar, und wenn schon Gewerbe, "dann innerorts oder wenigstens interkommunal". Nachhaltiger müsse gearbeitet werden, denn "Bayern verliert sein Gesicht". Mit den Grünen in Schäftlarn - vertreten durch Christian Lankes - herrsche da durchaus Übereinstimmung; zwischen den Rathauschefs - Matthias Ruhdorfer und Eva John - leider nicht. "Schlechte Kommunikation", sagt Lankes, "auf Bürgermeister-Ebene kommt da nichts."

Katharina Schulze, Spitzenkandidatin B`90/Grüne für die Landtagswahl 2018 und Fraktions-Vorsitzende im Bayerischen Landtag

Katharina Schulz (re.) von den Grünen wurde vom Sommerregen kalt erwischt.

(Foto: Peter Haacke)

Das Pressegespräch auf freiem Feld findet ein jähes Ende: Die ersten Tropfen empfinden die Teilnehmer als erfrischend, nur wenig später steht die Gruppe aber im strömenden Sommerregen. Der Wald bietet kaum Schutz, pitschnass und mit durchweichten schwarzen Pumps steht auch Schulze da. "Gut, dass ich kein weißes Hemd angezogen habe", sagt die Spitzenkandidatin der Grünen und strahlt.

Im Gespräch mit Bernd Matuschek, Inspektionsleiter der Starnberger Polizei, hat Schulze wenige Stunden zuvor einen kompetenten Eindruck hinterlassen: Aufgeschlossen und umfassend informiert sei die innenpolitische Expertin der Grünen gewesen, sagt Matuschek. Eine "angenehme Gesprächspartnerin", die mit ihrer unkomplizierten Weise "sympathisch rüberkam". Aus einem Ausflug auf dem Polizeiboot wird zwar nichts. Aber im April 2019, wenn die Wasserschutzpolizei ein neues Boot bekommt, ist Schulze eingeladen.

Am Abend wird die "verbale grüne Schnellfeuerwaffe", wie sie unlängst genannt wurde, ihrem Ruf als Powerplauderin gerecht. Im Stakkato referiert sie vor etwa 40 Zuhörern im "Bayerischen Hof" über ihre Spezialthemen: Innenpolitik, innere Sicherheit, Flächenfraß und Gefahren für die Demokratie. Äußerlich hat sich die Politikerin leicht verändert. Die durchnässte blaue Bluse ist getauscht mit einem grauen Öko-Edel-T-Shirt aus dem Fundus von Neubauer, und anstelle der Pumps zieren nun pinkfarbene High Heels von Andrea Schulte-Krauss die Füße der grünen Spitzenkandidatin.

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