Erst Ende September feierte die Gautinger SPD ihre 125-jährige Vergangenheit mit viel Parteiprominenz bis hin zum damaligen Fraktionschef im Landtag, Markus Rinderspacher. In Zukunft wird die SPD in der größten Gemeinde des Landkreises nicht mehr im Gemeinderat vertreten. In Gauting wird nach dem Parteiaustritt von Vize-Bürgermeister Jürgen Sklarek zum Jahresende die bisher dreiköpfige Fraktion aufgelöst.
Funktionäre im Ortsverein und Mandatsträger im Gemeinderat sind zerstritten. Bei wichtigen Themen wie dem geplanten Gewerbegebiet im Unterbrunner Holz und dem Neubau an der Bahnhofstraße vertreten sie völlig gegensätzliche Standpunkte. Sogar der Kreisverband habe sich eingeschaltet und versucht zu vermitteln, "doch das hat nicht geklappt", sagt die Kreisvorsitzende Julia Ney. "Ich bedaure das sehr."
Außer Sklarek gehören der SPD-Fraktion bisher noch Stephanie Pahl und Hans Wilhelm Knape an. Knape war vor einem Jahr als Parteifreier nachgerückt, Pahl hatte schon im April unter Protest die Partei verlassen und dabei über den rauen Ton unter den Genossen sowie über "persönliche Angriffe und Vorwürfe" geklagt. Für sie wie auch den Vize-Bürgermeister ist aber auch die Entwicklung in der Bundespolitik ausschlaggebend. Beide halten die Entscheidung für die große Koalition für falsch. Am Dienstag kündigte Pahl im Gemeinderat öffentlich die Auflösung der Fraktion an. Sie und Sklarek wollen im neuen Jahr eine eigene Fraktion bilden; unter welchem Namen, wissen sie noch nicht. Knape wolle weiter die SPD vertreten, allerdings ohne Mitglied der Partei zu sein.
Mit der Auflösung ihrer Gemeinderatsfraktion erreicht die Gautinger SPD, die in der vorherigen Amtsperiode noch die Bürgermeisterin gestellt hatte und mit sechs Gemeinderäten vertreten war, einen weiteren Tiefpunkt. Und das eineinhalb Jahre vor der nächsten Kommunalwahl. Die Häme war unüberhörbar, als CSU-Gemeinderat Maximilian Platzer in seiner Haushaltsrede von einer Partei sprach, "die faktisch an diesem Ratstisch nicht mehr vertreten ist". Ein Bürgermeisterkandidat ist weit und breit nicht in Sicht, profilierte Politiker wurden vergrault. Jürgen Schade, ehemals Gemeinderat und Landtagsabgeordneter, der jetzt bei den Grünen ist, klagte schon in einer Erklärung zu seinem Parteiaustritt vor sechs Jahren: "Unbequeme Personen wurden weggemobbt." Das Klima scheint sich seither nicht gebessert zu haben. Wenn Dissident Sklarek die heutige Situation im Ortsverein beschreibt, klingt das kaum anders. Er klagt über "verkrustete Strukturen" im Ortsvorstand. Jüngere würden kaum dazukommen, sondern eher "rausgeekelt". Und er ist nicht der einzige, der persönliche Probleme hat mit dem stellvertretenden Vorsitzenden Eberhard Brucker, der den Ortsverein mindestens bis zu Neuwahlen im nächsten Jahr kommissarisch leitet.
Turbulenzen im Ortsverein:Gautinger Vize-Bürgermeister will SPD im Streit verlassen
Jürgen Sklarek fühlt sich von seiner Partei nicht mehr vertreten - wollte das aber erst später bekanntgeben. Ortschef Eberhard Brucker kommt ihm zuvor.
"Es bleibt nicht aus, dass unterschiedliche Meinungen vertreten werden", sagt Brucker. Er hält es aber für wichtig, dass Mandatsträger inhaltlich den Bezug zum Ortsverein halten, "sonst kommt man an einen Punkt, wo es einfach nicht mehr geht". In den nächsten Monaten werde die SPD zeigen, wo sie steht, die Wähler könnten dann bei den Wahlen im Jahr 2020 ihre Entscheidung treffen.
Auf der Homepage des Gautinger Ortsvereins sind einige Bilder zu sehen, darunter auch ein Gruppenfoto des Vorstands. Das letzte Bild zeigt eigentümlicherweise ein verwaistes Rednerpult, daneben im Halbschatten die rote Fahne von 1893.