Dichterlesung:Von Bartagamen und Chlamydien

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Meike Harms bei ihrem Auftritt in Stegen. (Foto: Nila Thiel)

Lokalmatadorin Meike Harms aus Gilching gewinnt den Humor-Poetry-Slam im Groundlift-Studio in Stegen mit perfekt gereimten Tiergedichten.

Von Armin Greune, Inning

Der Poetry Slam ist eine vergleichsweise junge Kultursparte; er entstand 1986 in Chicago und verbreitete sich rasch weltweit. Die Synthese aus Dichtkunst, Rap und Bühnenperformance, bei der Künstler sich im Wettbewerb der Gunst des Publikums stellen, ist im deutschsprachigen Raum besonders populär. Sie wurde 2016 sogar von der Unesco in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen, wie es sich halt für eine ordnungsliebende Nation gehört.

Zu den Pionieren der heimischen Slam-Szene gehört sicher Ko Bylanzky. Er veranstaltet seit 1996 in dem Münchner Club Substanz monatlich den Munichslam und hat schon zwei Mal deutschsprachige Meisterschaften organisiert. Insofern waren die Veranstalter, das Forum Humor und die Groundlift-Studios, gut beraten, dem 51-Jährigen die Auswahl der Künstler für den Humor-Poetry-Slam im Rahmen des Stegener Humorfestivals zu überlassen.

So traten am Donnerstagabend acht Meister ihrer Zunft vor voll besetzten Rängen an, um mit Wortwitz und Präsentation das Publikum zum Lachen zu reizen. Am besten gelang das, gemessen am finalen Beifall, der Lokalmatadorin Meike Harms. Sie war als einzige aus dem Teilnehmerfeld mit dem Fahrrad da und hatte sich den Weg von Gilching durch Mückenwolken gebahnt. Was dann auch wieder passte, denn ihre Texte drehten sich ausschließlich um Tiere.

Natürlich sind humoristische Lyrikbeiträge über die bunte Tierwelt ein alter Hut. So hat sich Christian Morgenstern schon 1897 dem Specht gewidmet und Joachim Ringelnatz besang vor genau 100 Jahren ein faules Krokodil. Vor 50 Jahren aber war die Animalerotica-Offensive der Neuen Frankfurter Schule im vollen Gange. Autoren der Zeitschrift Pardon, an der Spitze der Dichter Robert Gernhardt, durchforsteten die Fauna genial reimend und blödelnd bis zum Tapir und Wombat.

Die Slammer in der Alten Brauerei in Stegen. (Foto: Nila Thiel)

Meike Harms weiß um diese Banalität und lässt daher vor Beginn ihres Vortrags das Publikum Tiernamen mit den naheliegendsten Versen ergänzen. Umso brillanter kommt ihr perfekt gereimter, ohne Zettel flott und fehlerlos vorgetragener Beitrag an, der die depressiv veranlagten Insassen eines Tierparks vorstellt: „Kein Tier war / therapierbar“. Inspiriert von der Aussprache des englischen th (tee-aitch) ihres Vaters stellt sie ihnen den stets wohlgemuten „Fink Positive“ gegenüber, dem sich „Fink Deep“ und „Fink Twice“ dazugesellen.

Dabei war Harms eigentlich bereits in der ersten Vorrunde ausgeschieden. Da unterlag sie Hannah Haberberger. Die Germanistin und Theaterwissenschaftlerin aus Fürth begeisterte das Publikum mit einem Prosatext über die Pixi-Buch-Heldin Conni, deren Welt zuerst – dem Reim zuliebe? – um das Pony kreist und dann aus präpubertären Schwärmereien für Jungs besteht. Haberberger riss die Zuhörer mit emanzipatorisch zeitgemäßeren Buchtitelvorschlägen wie „Conni und die Chlamydien“ oder „Conni scheißt auf alles“ zu Lachstürmen hin.

Hannah Haberberger aus Fürth knöpft sich in ihrem Beitrag die Conni-Heftchen vor. (Foto: Nila Thiel)
Und Henri Kruse trägt mit HIngabe eine Ode an den Trochäus vor. (Foto: Nila Thiel)

Ähnlich viel Heiterkeit entfachten Henri Kruse mit seiner Ode an den Trochäus oder Philipp Potthasts Lamento über seine Generation der Millenials, die zwischen den reichen Boomern und der coolen Generation Z den Anschluss zu verlieren droht. Die Kabarettistin und Schauspielerin Christl Sittenauer, Ensemblemitglied der Lach- und Schießgesellschaft, bestach wiederum vor allem mit ihrer Bühnenpräsenz. Und Senior Thomas Schmidt – „in meinem Alter kann jeder Slam der letzte sein“ – amüsierte die Zuhörer mit den Versuchen, sich als Pädagoge den Jugend-Slang anzueignen, um einer „Zwangseinäscherung des Lehrkörpers“ zu entgehen.

Eine vorübergehende Übelkeit verhinderte schließlich, dass Hannah Haberberger zum Finale erscheinen konnte. So trat der amtierende bayerische Meister Julius Althoetmar, der sich in einem hinreißend komischen Brief an den Finanzminister, den „lieben Christian“, als fauler Leistungsverweigerer outete, stattdessen gegen Harms an. Dieses Duell konnte die Gilchinger Bühnenpoetin und Poesiepädagogin dank eines rasanten Raps über die Bartagame und eines kaum behäbigeren Textes zum „extrem effizienten“ Faultier klar für sich entscheiden. Ihr Satz „Nur wer am meisten schafft / gewinnt die Augenring-Hula-Hoop-Meisterschaft“ hätte auch von Althoetmar stammen können.

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