Pöckinger Ortsgeschichte:Glanz, Glamour und sogar ein Mord

Hobby-Historiker Gerhard Köstler hat sich eingehend mit der bewegten Vergangenheit der Gemeinde am Starnberger See befasst

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Pöcking

Der Kalvarienberg in Possenhofen ist der Lieblingsplatz der österreichischen Kaiserin Elisabeth gewesen. Damals, als sie ihre Jugendjahre auf Schloss Possenhofen verbrachte, standen noch nicht so viele Bäume und der Hügel bot einen der schönsten Blicke über den Starnberger See. Wenn man den pensionierten Beamten und Hobby-Historiker aus Pöcking, Gerhard Köstler, fragt, gehört dieser Platz auch zu seinen Lieblingsorten. Insbesondere der 1938 von dem bekannten Künstler Johannes Matthäus Koelz gestaltete Kreuzweg ("eine sehr wertvolle, hochwertige Arbeit") hat ihn schon immer so beeindruckt. Deshalb hat er vor zehn Jahren angefangen seine Geschichte zu erforschen.

Der Kunst- und Freskenmaler Koelz war damals von den Nazis verfolgt worden, weil er sich geweigert hatte, ein Portrait von Hitler in Uniform anzufertigen. Bevor er von der Gestapo verhaftet werden konnte, gelang ihn zusammen mit seiner Familie die Flucht nach England, wo seine Tochter noch heute lebt. Im Rahmen seiner Recherche hatte Köstler zu ihr Kontakt aufgenommen. Das gab den Anstoß zu weiteren Forschungen über den Starnberger See, die Kaiserin und den Märchenkönig Ludwig II. sowie die Geschichte der vielen Villen in Pöcking und Possenhofen. Köstler hat darüber einen Dokumentarfilm gedreht. Über Geschichte und Geschichten am Starnberger See hält Köstler auch Vorträge, etwa an der Volkshochschule oder, wie vor kurzem, in der Sozialstation. Etwa 30 Menschen haben ihm dort zugehört, nicht mehr, vermutlich wegen des Corona-Virus. Dabei hat Köstler viel über Pöcking und Possenhofen zu erzählen. Er spannt dabei gern einen weiten Bogen - von den ersten Keltensiedlungen aus der Zeit 800 bis 600 vor Christus über die bewegte Geschichte von Schloss Possenhofen bis hin zu den Villen und den bekannten Persönlichkeiten, die darin gewohnt haben oder die Filme, die vor diesen märchenhaften Kulissen gedreht wurden.

Possenhofen: Schloss Possenhofen

Eine abwechslungsreiche Geschichte hat auch der Bau hinter sich, in dem Kaiserin Elisabeth aufgewachsen ist: Schloss Possenhofen.

(Foto: Nila Thiel)

Neben der österreichischen Kaiserin lebte in der Gemeinde auch der letzte Sohn des österreichischen Kaisers, der Europapolitiker Otto von Habsburg, der bis zu seinem Tod 2011 in seiner "Villa Austria" auf dem Pesthügel von Pöcking residiert hat. Das Anwesen des königlichen Erzgießers Ferdinand von Miller sowie seines Nachfahren Oskar von Miller, dem Gründer des Deutschen Museums, ist eine der wenigen Villen, die bis heute im Familienbesitz sind.

Es lebten viele Schauspieler in der Gemeinde, Opernsänger und Wissenschaftler, wie etwa Franz von Soxhlet, der ein Sterilisationsverfahren für Milch und Milchflaschen erfunden hat. An Weihbischof Matthias Defregger können sich heute noch viele Pöckinger erinnern. Er musste sich 1970 vor Gericht verantworten wegen einer Geiselerschießung in Italien während des Zweiten Weltkriegs. Im Jahr 1981 wurde ein Attentat mit einer Zyankalilösung auf ihn verübt. Der Mord an einem Industriellen und seiner Geliebten in einer der Prachtbauten in den sechziger Jahren, für den die Schauspielerin Vera Brühne in einem Indizienprozess verurteilt und später begnadigt wurde, ist noch immer tief im Gedächtnis der Pöckinger verankert.

Pöcking: Gerhard Köstler referiert über Pöcking

Albert Luppart von der Parteilosen Wählergruppe hat Gerhard Köstler (links) gebeten, in der Sozialstation über Pöcking zu referieren.

(Foto: Nila Thiel)

Bei dem Film Ludwig II. von Luchino Visconti, der im Schloss Possenhofen gedreht wurde, haben einige Bürger sogar als Komparsen mitgewirkt, und die Villa Perfall in Niederpöcking, einem schlichten Holzhaus im Schweizer Stil, war Kulisse für die Serie Forsthaus Falkenau. Natürlich bleibt den Pöckingern auch die umstrittene Regisseurin Leni Riefenstahl in Erinnerung, die einen Propagandafilm über die Olympischen Spiele 1936 gedreht hat und bis zu ihrem Tod 2003 zurückgezogen in Pöcking lebte.

Schloss Possenhofen hat ebenfalls eine bewegte Geschichte. Zu Zeiten der Buzentaur-Feste auf dem Starnberger See wurden hier nicht nur die Gäste aus dem Hochadel untergebracht. Es gab einen Tiergarten mit Hirschen, die in den See getrieben wurden, damit sie von ausgesuchten Gästen bei den inszenierten Seejagden vom Schiff aus abgeschossen werden konnten. Sisis Vater Herzog Max in Bayern kaufte das Schloss 1834 für 145 000 Gulden, was seiner Apanage entsprach, die er jährlich von den Wittelsbachern erhielt. Nach vielen Käufen und Verkäufen wurde das Schloss 1963 an die Landeshauptstadt München und später an einen Investor verkauft, der es 1984 in Eigentumswohnungen umbaute.

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