Pöcking:Wohlige Klangfluten und wildes Poltern

Tutzing: Bandprobe Just Fun meet´s Mama´s Superjet

Zum Auftakt der "Jazz am See"-Konzertreihe ein Auftritt vom Feinsten: Im Beccult beweist die sechsköpfige Fusion-Band große Spielfreude.

(Foto: Nila Thiel)

"Just Fun" trifft "Mama's Superjet": Beim Jazz-am-See-Revival spielen Musiker zusammen, die schon vor 40 Jahren Spaß hatten

Von Reinhard Palmer, Pöcking

Der Feldafinger Bürgersaal ist zweifellos stimmungsvoller, nur leider nicht corona-tauglich. Dass der Veranstalter "Jazz am See" nun vom See abrücken muss, hatte in diesem Konzert weitere Vorteile: Das Beccult hat einen Flügel und eine größere Bühne, auf der die sechs Mannen bequemer Platz fanden. Die Feldafinger Jazzclub-Atmosphäre war also gegen einen ausgeprägteren Konzertcharakter in Pöcking getauscht. Nostalgiker werden es vielleicht bedauert haben, denn hier standen zwei Musiker der Band "Just Fun" auf der Bühne, die schon 1978 beim ersten Versuch des heutigen Bürgermeisters Bernhard Sontheim als Konzertveranstalter - damals noch im Gasthof Pölt - bestritten haben. "Die Stimmung war bombastisch", schwärmte Sontheim bei der Begrüßung vom Riesenerfolg mit rund 250 Zuhörern.

Es sollte hier kein Duo-Abend werden. Auch zwei Musiker der zweiten Band von damals, "Mama's Superjet", deren erste Gehversuche ebenfalls in Feldafing über die Bühne gingen, wirkten hier unter dem Motto "Forty Years Later" mit. Eine starke Besetzung also mit Gert Wilden Jr. an den Tasteninstrumenten, Hardy Köstler mit Saxophonen und Flöte, Klaus Sperber am E-Bass, Jogi Tautz am Schlagzeug, sowie den Gästen Ferdinand Kirner (E-Gitarre) und Stephan Maass (Perkussion).

Gerade die Schlagwerk-Doppelbesetzung sagt schon viel über die eingeschlagene Richtung aus. Funky zu grooven und zu swingen oder brasilianisch zu rhythmisieren benötigte diese starke und reich kolorierte Unterlage. Bassist Sperber schloss sich den beiden konsequent mit kernigem Grollen und Blubbern an. Mit Wilden und Kirner, die flexibel ihre Rollen zwischen Solo und Begleitung wechselten, konnte die Rhythm-Section schon zu einem mächtig ratternden Motor werden, der hier mit straffem Drive mitzureißen vermochte. Eine Differenzierung im Charakter oblag vor allem Köstler und seinen Instrumenten: Das Tenorsaxophon tendierte zu Jazz und Rock, das Sopransaxophon hob ab und bewies seine ausschweifende Lyrik, gelegentlich auch seine klangscharfen Potenziale, während sich die Flöte mit reicher Farbigkeit in den weitschweifenden Linien des Latin am wohlsten fühlte.

Die meisten Kompositionen stammten von den auftretenden Musikern, vor allem Wilden und Sperber, die sich offenbar in einer Sache einig waren: über die Einprägsamkeit der Themen und Motive. Auch interpretatorisch ging es den Musikern um Klarheit der Aussagen, oft mit perfekt getimtem Unisono-Powerplay, was nicht nur mit dem Wiedererkennungseffekt das Zuhören erleichterte, andererseits half, einer wirkungsvollen Dramaturgie zu folgen. Und die war im Grunde die reizvollste Qualität der Musik, denn sie basierte einerseits auf einer sorgsamen und minutiösen Aufbauarbeit, andererseits auf Überraschungseffekten, meist plötzlichen Wendungen und scharfen Brüchen, denen wiederum ein Neuaufbau folgte.

Bei der Aufbauarbeit ging es nicht um Lautstärke allein: Farbigkeit im Klang und in den Harmonien spielte eine Rolle, aber auch Dichte der Textur und Intensität der Aussagen. Die Musiker nahmen sich viel Zeit für diese Entwicklung, die meistens in wohligen Klangfluten, aber schon auch mal im wilden Poltern kulminieren konnte, um dann unvermittelt in leise und zarte Töne abzutauchen. Dass es so homogen funktionierte, verwies auf die langjährige musikalische Bekanntschaft der Mitwirkenden, aber auch auf ein gutes Gespür für die Absichten der Mitspieler.

Die musikalische Herkunft der Instrumentalisten erwies sich als breit gefächert. Jazz, Soul und Funk, wie in der Ankündigung versprochen und zweifelsohne eingelöst, war so etwas wie ein kleinster gemeinsamer Nenner, aber so gestaltet, dass viele persönliche Nuancen aus anderen Stilen möglich waren. Schließlich haben sich die Musiker in den 40 Jahren unterschiedlich weiterentwickelt. Aber hier musste sich niemand verbiegen. Ob Latin brasilianischer oder karibischer Prägung, Rock, Anflüge von Psychedelic, Calypso oder Bebop: Das brachte das Ensemble nicht nur homogen zusammen, sondern gewann daraus gerade bei den Überraschungseffekten einen zusätzlichen Reiz. Man konnte es nicht einmal erahnen, in welche Richtung es nach einer Wendung musikalisch weitergehen würde. Ein mitreißender Start in die neue Jazz-Saison, die hoffentlich bis zum Ende der Spielreihe durchgehalten werden kann.

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