Pöcking:Umstrittener Ehrenbürger

Kunstsammler Ralf Kirberg

Kunstliebhaber und Ehrenbürger der Gemeinde Pöcking: Der ehemalige LHI-Geschäftsführer Ralf Kirberg.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Pöcking zeichnet den einstigen LHI-Geschäftsführer Ralf Kirberg aus, obwohl eine millionenschwere Steuerrückzahlung droht

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Pöcking

Ralf Kirberg ist neuer Ehrenbürger von Pöcking. In einer nicht-öffentlichen Feier überreichte Bürgermeister Rainer Schnitzler dem ehemaligen Geschäftsführer von Pöckings größtem Steuerzahler, der Leasinggesellschaft LHI, am Freitag die Urkunde. Der Ernennung ging jedoch eine heftige Kontroverse voraus: Grund ist ein derzeit anhängiges Gerichtsverfahren zu einem Steuersparmodell, bei dem der Gemeinde eine Gewerbesteuerrückzahlung von rund 35 Millionen Euro droht. Dass zur Feier nicht einmal die Gemeinderäte eingeladen waren, sorgte zusätzlich für Irritationen.

Nach Angaben des Rathauschefs hatte die Gemeinde auf ausdrücklichen Wunsch des achten Ehrenbürgers der Gemeinde keine Feier veranstaltet. Er habe kein Aufsehen um seine Person machen wollen, sagte Schnitzler. Die Entscheidung, Kirberg die Ehrenbürgerwürde zu verleihen, hatte im Vorfeld für einigen Wirbel gesorgt, der im April sogar zum Rücktritt der CSU-Gemeinderätin Ute Nicolaisen-März führte. Den Antrag hatte Ameli Erhardt (SPD) eingebracht und war in nicht-öffentlicher Sitzung dank der PWG mit knapper Mehrheit von 11 zu 9 Stimmen befürwortet worden. "Es war eine demokratische Entscheidung", erklärte Schnitzler.

Derweil schwelt im Hintergrund ein Gerichtsverfahren, das in Verbindung gebracht wird mit dem ehemaligen LHI-Geschäftsführer Kirberg. Laut Schnitzler ging es um ein Projekt aus dem Bereich der Filmbranche: Der Fonds sollte ein Steuerstundungsmodell sein. Doch unerwartet mussten Steuern für die gesamte Laufzeit bezahlt werden; Anleger würden nun auf Rückzahlung der Steuern klagen. Schnitzler: "Weder Kirberg noch die LHI haben sich irgendetwas vorzuwerfen." Er habe die Firma stets als seriösen und zuverlässigen Partner erlebt. Kirberg sei es zu verdanken, dass LHI 1995 nach Pöcking kam, was der Gemeinde seither Millionen an Gewerbesteuer einbrachte. "Damit konnte die Gemeinde eine einmalige Infrastruktur für unsere Bürger aufbauen", sagte Schnitzler, der auch das ehrenamtliche Engagement Kirbergs würdigt. Kirberg selbst war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Die Kritiker sehen das freilich anders. "Geld ist nicht das alleinige Gut, das einen Bürger zum Ehrenbürger macht", findet CSU-Gemeinderätin Karin Wania-Michels. Und Ute Nicolaisen-März (CSU) fragt sich: "Reicht es aus für eine Ehrenbürgerschaft, dass jemand Mitarbeiter einer Firma war, die Pöcking reich gemacht hat?" Sie hält den Zeitpunkt der Verleihung für äußerst unglücklich. "Wenn so viele Leute Bedenken haben, warum wird das durchgedrückt?" Auch Simone Greve (Grüne) kritisiert das Procedere. In der Gemeinderatssitzung am Donnerstag waren nach dem Tagesordnungspunkt "Verschiedenes" noch Beschlüsse aus nicht-öffentlicher Sitzung bekannt gegeben worden - darunter auch die Entscheidung zur Ehrenbürgerschaft. Schnitzler beendete umgehend die Sitzung und ließ keine Nachfragen mehr zu. Unerwähnt blieb auch, dass die Urkunde schon am nächsten Tag übergeben werden sollte. "Man kann es drehen und wenden, wie man will: Es bleibt ein Gschmäckle übrig", ärgerte sich Greve. Dass die Urkunde "klammheimlich" übergeben worden sei, setze dem Fass die Krone auf.

Die Grünen hatten im Zuge der Debatte im Mai einen Antrag gestellt, wonach für eine derartige Entscheidung eine Zweidrittelmehrheit notwendig sein sollte. Der Antrag ging nicht durch. Die Grünen schalteten daraufhin die Rechtsaufsicht des Landratsamtes ein. Das Ergebnis der Prüfung: Der Antrag hätte zwar behandelt werden müssen, wäre aber für die Entscheidung unerheblich gewesen, denn laut einer Klausel in der Pöckinger Gemeindeordnung ist eine einfache Mehrheit ausreichend.

Erhard (SPD), die zur Feier eingeladen war, versteht die Aufregung nicht. Sie sei nicht von der PWG vorgeschoben worden, sondern habe den Antrag aus Überzeugung gestellt. Das werde ihr nun nicht zugestanden. Erhard: "Das habe ich nicht erwartet. Ich ging davon aus, dass er akzeptiert wird."

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