Pöcking:Glück statt Müll

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Der Pöckinger Tauschmarkt ist ein beliebter Treffpunkt - nicht nur für Sammler. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Grünen laden zum zehnten Schenk- und Tauschmarkt, der längst eine Institution geworden ist. Denn vom Konzept der Wiederverwendung profitieren alle Beteiligten.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Pöcking

Das Plüsch-Schaukelpferd hat es einem kleinen Mädchen angetan. Während das Kind schaukelt und sich nicht mehr von dem Spielzeug trennen will, steht die Mutter vor einer schweren Entscheidung. Ihre Tochter habe bereits zwei Schaukelpferde zu Hause, sagt sie. Aber die seien aus Holz und nicht so kuschelig wie das Plüschpony, in das sich ihre Tochter unsterblich verliebt hat. Braucht das kleine Mädchen wirklich noch ein drittes Schaukeltier? Ach was, es kostet ja nichts. Und wenn es daheim in der Ecke steht, dann kann man es ja beim nächsten Schenk- und Tauschmarkt wieder zurückbringen. Eine andere Mutter indes ist konsequenter. Jedes Spielzeug, das ihr Sohn freudestrahlend anbringt, muss wieder zurückgestellt werden.

Zum zehnten Mal fand am Samstag der Schenk- und Tauschmarkt in Pöcking statt, der jedes Jahr am Samstag vor dem Muttertag von den Pöckinger Grünen organisiert wird. Elke Oßwald hatte vor zwölf Jahren die Idee zu der Veranstaltung, auf der die Pöckinger all jene Dinge nach Herzenslust tauschen oder verschenken können, die ansonsten in den Müll wandern würden. Unterdessen ist der Markt so beliebt geworden, dass er Menschen aus nah und fern anzieht.

Schon kurz nach der Eröffnung ist der große Parkplatz vor dem Beccult voll. Manche Anbieter werden sogar schon am Auto abgefangen: Ein Besucher packt einen Kinderroller ein, den ein Mann gerade aus seinem Kofferraum holt. Und Karin Temmler aus Pöcking erzählt, dass ihr fremde Menschen die Blumenübertöpfe, die sie bringen wollte, noch vor dem Beccult "aus der Hand gerissen" hätten. Offenbar haben auch Flohmarkthändler entdeckt, dass es hier Schnäppchen zu holen gibt. Man erkennt sie daran, dass sie mehrere Umzugskisten mitbringen, die sie nach kurzer Zeit wieder voll bepackt zu ihrem Auto schleppen.

Hauptsache ist, es bleibt am Ende der Veranstaltung so wenig wie möglich übrig, damit die Grünen nicht mehr so viel Arbeit mit dem Aufräumen haben. Denn das Schöne an der Veranstaltung ist, dass man Dinge, die für einen selbst nutzlos geworden sind, nicht mehr zum Wertstoffhof fahren muss. Man bringt sie stattdessen zum Tauschmarkt. Vielleicht kann sie ja jemand brauchen und falls nicht, übernehmen die Grünen die Entsorgung. Alles übrig Gebliebene wird von ihnen am Ende der Veranstaltung zum Wertstoffhof gebracht und gut erhaltene Kleidung geht zur Caritas. Zudem werden abgelegte Brillen sowie Sonnen- und Kinderbrillen gesammelt, die in armen Ländern dringend benötigt werden. "Das ist der Renner", sagt Mitorganisatorin Constantia Rosendorfer, die die Brillen anschließend zum katholischen Blindenhilfswerk bringt. Dort werden sie kostenlos aufbereitet und an Bedürftige verschickt.

Man trifft sich hier und kommt ins Plaudern. (Foto: Franz Xaver Fuchs)
Freilich gibt es auch allerhand gebrauchte Dinge im Angebot. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Ob Gläser, Porzellan mit Goldrand oder ein Bowle-Service aus Omas Zeiten, ob Kleidung, Bücher, Tennisschläger, Schlittschuhe oder Fahrradhelme: Was für die einen nur Staubfänger ist, könnte für andere ein Liebhaberstück sein. Manches regt sicherlich auch zu einer neuen Upcycling-Idee an. Auf jeden Fall ist die Veranstaltung ein Beitrag zur Müllvermeidung.

Laut dem Grünen-Gemeinderat Christoph von Gronau hat alles einst am Parkplatz vor dem Sportpark angefangen. Schnell sei der Platz zu klein geworden und wegen des unsicheren Wetters seien die Grünen dann ins Beccult umgezogen. Wie auf einem Flohmarkt wird die Ware auf Tischen präsentiert. Nur dass sich hier die Kunden bedienen können, ohne dass Geld fließt.

Die Tische biegen sich buchstäblich unter dem Gewicht der angebotenen Waren. Vieles wechselt sofort den Besitzer, wie etwa ein Daunenmantel und eine Decke, die Ruth Mechtersheimer gebracht hat. "Die Sachen waren nach zehn Minuten weg", freut sich die Starnbergerin, die jedes Jahr vor dem Tauschmarkt ihre Wohnung ausmistet und alles herbringt, was sie nicht mehr brauchen kann. Ob allerdings eine Massageliege einen Abnehmer findet, wird von den Veranstaltern bezweifelt. Sie sei einfach zu schwer zum Mitnehmen. Auch ein Gastro-Flaschenreiniger bleibt unbeachtet stehen.

Zum Beispiel Bierkrüge ..., (Foto: Franz Xaver Fuchs)
Pinguin-Nikoläuse ... (Foto: Franz Xaver Fuchs)
oder Nuss-Teller und Ofenhandschuhe. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Dafür hat ein bunter Zierteller, der von einer Jerusalem-Reise übrig geblieben ist, wegen seiner politischen Aktualität gute Chancen, wieder einen Liebhaber zu finden. Insbesondere Besucher, die an purer Nostalgie interessiert sind, kommen hier auf ihre Kosten. Sogar Goldengel-Figuren und Nippes-Nikoläuse aus Gips finden Abnehmer. Eine Frau packt eine große Einkaufstasche mit Büchern voll, eine andere eine große Kiste mit Schuhen. Auch Kinderbücher und Spiele finden reißenden Absatz. Und jedes Mal, wenn Lücken auf den Tischen entstehen, wird schnell wieder aufgefüllt.

"Es ist vollkommen unberechenbar, was geht und was nicht", erklärt Rosendorfer. Ganz nebenbei ist der Markt auch ein sozialer Treffpunkt; so wie es früher einmal war, als man durch die Straßen ging, bevor die Sperrmüllabfuhr kam. Man hat die Nachbarn getroffen, die ebenso wie man selbst auf ein kostenloses Schnäppchen hofften und Tipps bekommen, wo man etwas schon lange Gesuchtes finden kann.

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