Pöcking:Schmerzensgestus statt Stille

Pöcking St Pius Chorkonzert

Es waren nicht allzu viele Besucher, die am Karfreitag das Konzert in der Pöckinger St-Pius-Kirche besuchten.

(Foto: Nila Thiel)

In Pöcking wird deutlich, wie Musik am Karfreitag neue Wege einschlägt

Von Reinhard Palmer, Pöcking

Die katholische Kirche tut sich in der Regel immer noch schwer mit der Musik in der Karfreitagsliturgie. Außer den dafür vorgesehenen liturgischen Gesängen und Kirchenlieder sind meist keine musikalischen Einsätze erwünscht. Die Orgel verstummt, ja selbst die Glocken werden durch diverse Geräuschmacher ersetzt. Das ist insofern schwer nachzuvollziehen, da Musik schließlich nicht per se für den Ausdruck von Freude und Ausgelassenheit reserviert ist. Diverse Passionen machen deutlich genug, dass Musik für jede Empfindung entsprechende Ausdrucksmittel parat hält. Trauermärsche, Klagelieder oder sonstige Trauermusiken sind Ausdruck tiefsten Schmerzens und wären für die Gläubigen gewiss emotional entsprechend nachvollziehbar.

Bestes Beispiel dafür sind wohl "Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze" von Haydn, die für eine Meditation am Karfreitag im andalusischen Cádiz vertont wurden, die aber heute nur selten zu hören sind. Doch es gibt noch einige Bastionen der kirchlichen "Gebrauchsmusik" zu jeder Gelegenheit, sofern engagierte und kompetente Musiker die Aufgabe in die Hand nehmen und dem Kahlschlag der katholischen Kirche im musikalischen Ressort entgegenwirken. Neben dem hauptamtlichen Kirchenmusiker der Pfarrgemeinschaft Pöcking, Feldafing und Traubing, Darius Drobisz, sind beispielsweise in Pöcking auch Pianist, Dirigent und Chorleiter Norbert Groh, sowie die Geigerin Esther Schöpf, die unter dem Namen "Stringendo herausragende Laienmusiker der Region zu einem Orchester und zu diversen Ensembles formt, am Wirken.

Tatsächlich ist Pöcking mit der Kirche St. Pius musikalisch gut versorgt. Und bevor Haydns Paukenmesse am Ostermontag im Hochamt erklang, bereicherten tatsächlich auch die Karfreitagsliturgie Choräle aus Bachs Johannespassion, begleitet von einem Streichquartett, das darüber hinaus kammermusikalisch für kontemplative Momente sorgte. Besonders warmtonig mit Bachs innig-wehmütigen "Jesu meine Freude", dann zur Kommunion auch feierlich breit mit Mozarts "Ave Verum".

Die Choräle der Johannes-Passion Bachs eignen sich geradezu ideal als Ergänzung der Karfreitagsliturgie. Sie dienen in Bachs Werk dazu, das Geschehen im Passionsbericht nach jedem Hauptabschnitt zu reflektieren und auf den Sinngehalt hinzuweisen. "In meines Herzens Grunde" beendet den Auftritt des Pilatus, der im Grunde die Göttlichkeit Jesu erkennt. Die Chorgemeinschaft St. Pius Pöcking musste jedoch auch in Betracht ziehen, dass die Choräle hier aus dem musikalischen Kontext genommen erklangen. Groh am Pult ließ daher eine gewisse feierliche Strahlkraft zu. Auch die Reihenfolge sollte eher der musikalischen Logik folgen. Obgleich bei Bach viel früher vorgesehen, erklang daher "Petrus, der nicht denkt zurück" nachdem das Evangelium bereits das Hinscheiden Jesu verkündete, zumal vom Chor im ruhigen Fluss der Moll-Lyrik ausgebreitet. Ein weiterer inhaltlicher Rückgriff mit "Wer hat dich so geschlagen" begleitete die Verehrung des Gekreuzigten mit wogender Klage. Begleitet vom schlank geführten Streichquartett gewann hier der Choral gegenüber dem opulenteren Original an Eindringlichkeit, die in der barocken Musik mit Schlichtheit einhergeht. Am Ende der Liturgie Stille folgen zu lassen, hatte, nachdem zuvor Musik erklungen war, eine wesentlich stärkere Wirkung: Das Fehlen des Klanges hinterließ eine weit größere Leere als es ein Verzicht auf Musik von vorneherein vermocht hätte. Wenn sakrale Musik das Bewusstsein für religiöse Inhalte schärfen soll, dann war hier diese Aufgabe mehr als erfüllt.

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