Süddeutsche Zeitung

Unfall von Possenhofen in Berufung:Autorennen oder einfach nur riskante Raserei?

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Nach der Kollision mit vier Verletzten waren die jungen Fahrer zu Führerscheinsperren und Sozialstunden verurteilt worden. Einen Wettbewerb streiten sie ab.

Von Christian Deussing, Pöcking/München

Mit einem Horrorunfall an Allerheiligen 2019 auf der Staatsstraße in Possenhofen musste sich am Montag in einem Berufungsprozess die Jugendkammer des Landgerichts München II befassen. Es versucht zu klären, ob ein illegales Autorennen unter zwei jungen Männern zu dem Crash in einer scharfen Rechtskurve beim Ausflugskiosk "Steg 1" oder nur ein riskantes und rücksichtsloses Fahrverhalten zur Kollision geführt hatte. Bei dem Frontalzusammenstoß waren am Mittag des 1. November 2019 vier Menschen teilweise schwer verletzt worden.

Bei einem gefährlichen Fahrmanöver mit weit überhöhter Geschwindigkeit ist ein 19-jähriger Feldafinger in Richtung Süden in ein entgegenkommendes Auto gekracht, dessen 59-jähriger Fahrer aus Pöcking nicht mehr ausweichen konnte. Der 19-Jährige hatte die Kontrolle über seinen Wagen verloren, weil er sich von dem vorausfahrenden 18-jährigen Cousin nicht abhängen lassen wollte. Das sah das Jugendgericht Starnberg in erster Instanz als erwiesen an, denn beide Angeklagten seien wie "Geschosse" auf der Fahrbahn unterwegs gewesen und hätten "Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer konkret gefährdet". Die Raser wurden wegen eines illegalen Autorennens zu einer zwölfmonatigen Führerscheinsperre und 80 Sozialstunden verurteilt. Der Unfallverursacher, dessen 15-jähriger Beifahrer schwer verletzt wurde, erhielt zudem einen Freizeitarrest.

Doch die Angeklagten streiten auch in der Berufungsverhandlung ab, sich einen Wettbewerb geliefert zu haben. Allerdings hatte wenige Wochen vor dem Unfall ein Anwohner in Feldafing beobachtet, wie dieselben Autos in einer Sackgasse mit Wendehammer Driftübungen absolviert hatten. Es hatte den Verdacht der Strafverfolger erhärtet, dass die Angeklagten auch in der Kurve beim "Steg 1" diese Fahrmanöver ausprobieren wollten und der Verfolger die Kontrolle über sein Auto verlor.

"Er wollte dran bleiben", sagte dessen heute 16-jähriger Beifahrer in der Berufung. Der Schüler klammerte sich aus Angst an den Türgriff und brach sich beim Aufprall einen Finger, den Unterschenkel, das Schlüsselbein und eine Rippe. Schlimm hatte es auch den Pöckinger und seine Lebensgefährtin erwischt, die im total demolierten Auto an der rechten Leitplanke eingeklemmt wurde. Sie würden dort wegen der Kinder und des Ausflugsverkehrs am "Steg 1" immer langsamer als die erlaubten 60 Stundenkilometer fahren, erklärten die Nebenkläger in der Verhandlung. Das erste Auto sei noch knapp vorbeigerauscht, "aber nur Sekunden später kam urplötzlich das andere Fahrzeug fast im 90 Grad Winkel auf uns zu", berichtete das Paar. Vor ihm war ein 33-jähriger Ingenieur gefahren, im Kindersitz war sein Baby. Dieser Fahrer habe versucht, in der Kurve quer zu fahren "und hat mit den Hinterrädern in meine Spur geragt". Er habe aber noch unheimliches Glück gehabt, sagte der Zeuge. Er hatte am Unfallort den Verdacht geäußert, dass sich die zwei Fahrer der Autos ein Rennen geliefert hätten.

Der Gutachter hat zudem bemerkt, dass sich am Wagen des Unfallverursachers hinten unzulässig Winterreifen mit Stahlfelgen und vorn Sommerreifen befunden hätten. Das Urteil wird am Donnerstag erwartet.

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SZ vom 04.05.2021
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