Unter den Kabarettveranstaltern ist er so etwas wie ein Grossist: Wolfgang Ramadan startete 2004 in Icking mit der Reihe "Brotzeit & Spiele" durch und ging zwei Jahre später auf Expansionskurs. Er und sein fünfköpfiges Team bieten die "kulturelle Grundversorgung", wie Ramadan das nennt, inzwischen auch in Starnberg und Bad Tölz an, in Bad Aibling, Isen, Wasserburg und Aying, in Peißenberg, Siegertsbrunn und Weilheim. Vor der Corona-Pandemie war die Zahl der Abonnenten auf mehr als 3000 hochgeschnellt. Doch Covid bremste den Lyriker, Musiker und Kulturmanager jäh aus. Inzwischen kämpft er mit dem Zuschauerschwund. Denn die Zahl seiner Abonnenten sei um 80 Prozent eingebrochen. Zum Start seines Programms am Samstag mit Han's Klaffl ("Nachschlag! Eh ich es vergesse...") weicht er ins Pöckinger Beccult aus, weil die Schlossberghalle in Starnberg saniert wird, und lässt lediglich zehn Reihen bestuhlen. Sind ihm doch von den vormals etwa 400 Abonnenten in der Kreisstadt nur noch um die 100 treu geblieben. Der 62-Jährige sagt: "Wenn die Corona-Förderung durch den Bund oder das Land Bayern heuer ausbleibt, gibt es uns im nächsten Jahr nicht mehr."
Brotzeit & Krise - das geht nun seit 2020 so. Zuerst retteten den gebürtigen Münchner großzügige Abonnenten, viele von ihnen hätten nach abgesagten Kabarettabenden auf Rückzahlung verzichtet oder "uns die Karten gestundet". 2021 konnte sich Ramadan über Wasser halten, weil es für seine Kulturreihe plötzlich Corona-Förderung gab. Künstler wie Helmut Schleich, Luise Kinseher, Wolfgang Krebs, Volker Heißmann, Roland Hefter und vor allem Bernd Schweinar, Chef des Verbands für Popkultur in Bayern, hätten sich bei Ministerpräsident Markus Söder für ihn und sein Programm eingesetzt. Bisher sei er ja ohne öffentliches Geld ausgekommen, sagt der frühere Garchinger Kulturamtsleiter Ramadan, "wir waren deshalb immer unter dem Radar". Und ohne Schweinar und den Popverband "hätte es uns zerrissen". Der Ickinger stiftete dem Helfer in der Not deshalb eine lebensgroße Skulptur aus Bad Heilbrunner Fichtenholz, die Schweinar mit einer Gitarre in Form der bayerischen Landesgrenzen zeigt. Das Kunstwerk des Bildhauers Nikolaus Sanktjohanser aus Schwaigwall bei Geretsried steht inzwischen in Schloss Alteglofsheim, dem Sitz des Popverbands.
2021 und 2022 zog Ramadan zwei große coronakonforme Open-Airs im Bad Tölzer Rosengarten auf, Abonnenten konnten an den insgesamt 41 Abenden ihre umsonst gekauften Karten einlösen. Doch die Großereignisse endeten kläglich. Im Vorjahr seien im Schnitt nur 100 Besucher ins offene Bierzelt mit gläsernem Dach gekommen, bei einem Konzert saßen den acht Musikern auf der Bühne laut Ramadan 23 Zuhörer gegenüber. Als Helmut Schleich Ende Juli spielte, zog ein Orkan auf. Luise Kinseher trat Mitte August bei frischen 8 Grad auf. Heuer fiel das Festival etwas kleiner aus, aber mit ähnlichem Ergebnis. Einzig das Gastspiel von Martina Schwarzmann sei ausverkauft gewesen.
Dass "Brotzeit & Spiele" bisher fast so etwas wie ein Selbstläufer war, hat damit zu tun, dass Ramadan auf die Größen der Szene setzt und auf Künstler, die fast jeder aus dem Fernsehen kennt. Heuer zum Beispiel sind Django Asül und Luise Kinseher mit von der Partie, Philipp Weber und Helmut Schleich, dazu die Musiker Axel Zwingenberger, Ami und Wally Warning und Quadro Nuevo. Franziska Wanninger spult sogar eine regelrechte Tour durch sechs der Ramadan-Spielorte von Siegertsbrunn bis Isen ab. Dass sein Konzept nun nicht mehr aufgeht "und wir uns auf Messers Schneide bewegen", hat laut Ramadan mit drei Gründen zu tun: Erstens sei sein Zielpublikum die "Hochrisikogruppe über 60", zweitens seien viele Menschen entwöhnt "und haben sich zuhause Netflix und einen Beamer zugelegt". Und drittens schauten immer mehr Leute auf den Geldbeutel, weil das Leben teuer geworden ist.
Ramadan hofft trotzdem, dass er wieder Abonnenten zurückgewinnen kann. Was die Corona-Zahlungen durchs Land Bayern angeht, ist er sogar zuversichtlich: Im nächsten Jahr sind Landtagswahlen - "da werden sie sich nicht lumpen lassen". Und außerdem habe er bisher aus jeder Not eine Tugend gemacht: Inzwischen tritt er wieder mit einem neuen Programm auf, das "Friede, Freude, Feuer frei" heißt. Ramadan rezitiert mit Schlapphut Texte von Valentin bis Brecht und spielt mit seiner Peace-Gitarre Songs von Bob Dylan und Neil Young, selbstredend auf Bairisch. Immerhin: Er sei bisher schon vier Mal für Auftritte gebucht worden.
"Brotzeit & Spiele" startet an diesem Samstag, 20 Uhr, im Kulturhaus Beccult mit Han's Klaffl. Außerdem auf dem Pöckinger Spielplan: Quadro Nuevo am 16. Oktober, Franziska Wanninger am 24. November und Boogie-Woogie- und Blues-Pianist Axel Zwingenberger am 10. Dezember. Infos und Karten unter www.brotzeitundspiele.de .