Vortrag in PöckingDer erste U-Bahnhof Bayerns

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Jean Louis Schlim gilt als König Ludwig-Kenner.
Jean Louis Schlim gilt als König Ludwig-Kenner. (Foto: Arlet Ulfers)

König Ludwig II. war ein Technik-Freak. Welche Ideen der Monarch umgesetzt hat und an welchen er scheiterte, hat Buchautor Jean Louis Schlim zusammengefasst.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Pöcking

Der Bayernkönig Ludwig II. hat seine Träume umgesetzt und aufwendige Schlösser bauen lassen. Daher wird er als Märchenkönig bezeichnet. Weniger bekannt ist, dass er auch ein Visionär war. Ludwig II. unterstützte die Forschung einer für die damalige Zeit innovativen Technik und ließ sie auf höchstem Niveau in seinen Bauten umsetzen. „Ludwig hat alles getan, um Bayern technisch bekannt zu machen“, sagt der König Ludwig-Kenner, Sammler und Buchautor Jean Louis Schlim. Zum 20-jährigen Bestehen des Kaiserin-Elisabeth-Museums im Bahnhof Possenhofen hatte ihn Museumleiterin Rosemarie Mann-Stein am Montag zu dem Vortrag „Industrie und Technik für Ludwig II. von Bayern“ eingeladen.

Die Veranstaltung, die im Rahmen des Pöckinger Kulturmontags im Beccult stattfand, war sehr gut besucht. Auch Vertreter des Hauses Wittelsbach waren gekommen, darunter die Urenkelin der österreichischen Kaiserin Elisabeth, Theresia Prinzessin von Bayern und Christoph Prinz von Bayern.

Schon unter den Vorfahren Ludwigs II. wurde 1835 die erste Eisenbahnstrecke in Bayern gebaut: von Nürnberg nach Fürth. Später kam München-Augsburg hinzu und die Strecke von München nach Peißenberg mit den Bahnhöfen Starnberg, Possenhofen und Feldafing. Die Salonwagen, mit denen Ludwig II. auf diesen Strecken fuhr, wurden „Versailles auf Rädern“ genannt. Schlim schränkte allerdings ein, dass Ludwigs private Eisenbahnwagons auch nicht aufwendiger gestaltet waren als die von anderen Herrschern.

Auch beim Bau von Ludwigs Schlössern wurde laut Schlim „eine extreme Technik“ verwendet. Ein Lastenschiff transportierte Baumaterial zur Insel für den Bau von Schloss Herrenchiemsee. Von dort aus ging es weiter mit einem Lokomobil über die Insel. Laut Schlim sollte der Zug in das Schloss hineinfahren. Deshalb ist er überzeugt, dass Ludwig damit wohl den ersten U-Bahnhof Bayerns geplant haben könnte.  Das Schiff Tristan, mit dem der König über den Starnberger See fuhr, war technisch ebenso auf neuestem Stand, wie seine Kutschen. Sein Schlitten galt damals als erstes elektrisch beleuchtetes Fahrzeug in Bayern, wenn nicht sogar der ganzen Welt. Davon sind zumindest Ludwig-Fans überzeugt. Die Stromquelle waren Chromschwefelsäure-Batterien.

Ob Toilettenspülung oder Telefon: der Kini hatte alles

Zunächst sei Ludwig stärker an der Kultur interessiert gewesen, erklärte Schlim. Erst sein Besuch auf der Weltausstellung in Paris 1867 sei die Initialzündung dafür gewesen, „was Technik alles kann“. Von da an habe der Monarch technische Innovationen unterstützt. Schon ein Jahr später gründete Ludwig die „Polytechnische Hochschule“, die heutige TU München. „Ludwig war wichtig, dass bekannt gemacht wird, was in Bayern produziert wird“, erklärte Schlim. Technische Neuerungen ließ er deshalb im Glaspalast ausstellen, beispielsweise auf der Industrieausstellung München im Jahr 1876. Der 70 Meter lange, 20 Meter hohe und 17 Meter breite Glaspalast über dem Thronsaal im vierten Stock der Residenz war ohnehin auf dem Höchststand der Innovation, ebenso seine Schlösser.

Bekannt ist hauptsächlich das „Tischlein deck dich“ im Schloss Herrenchiemsee, eine Vorrichtung, mit der der gedeckte Tisch von der Küche im unteren Stockwerk zum Speisesalon hochgefahren werden konnte. Doch das sei nicht neu gewesen, berichtete Schlim. Diese Vorrichtung habe Ludwig auf Schloss Versailles gesehen und übernommen. Wirklich neu indes sei die Toilette auf Schloss Neuschwanstein mit automatischer Spülung sowie fließend warmes und kaltes Wasser gewesen. Es gab eine einzigartige Heißluft-Zentralheizung sowie aufwendige Wasserspiele und dampfbetriebene Fontänen. Es wurden Eisen-Konstruktionen verwendet und eiserne Doppelträger zur besseren Gewichtsverteilung. Sogar eine batteriebetriebene Klingelanlage gab es und ein Telefon. Allerdings führte die Leitung lediglich von Hohenschwangau nach Neuschwanstein.

Ludwig ließ immer wieder nachbessern und ändern, beispielsweise für die Lichtstimmungen in der künstlichen Grotte auf Schloss Linderhof. Sie wurden über 24 Generatoren geregelt und so entstand das erste Elektrizitätswerk Bayerns. Für die Venusgrotte wünschte er sich ein ganz bestimmtes Blau. Diesen Farbton ließ die Firma BASF unter dem Namen Indigo patentieren. Eine der ersten Firmen, die diesen Farbton verwendeten, war „Levis Strauss“. Der Amerikaner aus Nürnberg ließ damit die Hosen aus Segeltuch einfärben, die Vorstufe der späteren Denim-Jeans. „Ohne Ludwig hätten wir heute vielleicht keine Jeans“, meinte Schlim augenzwinkernd.

Pöcking Beccult Lichtbildervortrag mit Jean Louis Schlim
Pöcking Beccult Lichtbildervortrag mit Jean Louis Schlim (Foto: Arlet Ulfers)

Einiges, was Ludwig plante, wurde allerdings nicht umgesetzt. So war er beispielsweise begeistert von einem Fahrrad, das er auf der Pariser Weltausstellung gesehen hatte. Ob er selbst jemals ein Fahrrad hatte, ist nicht überliefert. Auch bei seinem Traum vom Fliegen blieb es nur bei teuren Planungen. Ludwig wollte vom Schloss Neuschwanstein eine Ballon-Gondelbahn bis zu seinem Badestrand am Alpsee bauen. Wegen der Seitenwinde wurde der König aber vor der Umsetzung gewarnt.

Das Kaiserin-Elisabeth-Museum im Bahnhof Possenhofen feiert dieses Jahr gleich drei Jubiläen. Neben dem 20-jährigen Bestehen jährt sich zum 160. Mal die Inbetriebnahme des Bahnhofs Possenhofen sowie zum 180. Mal der Geburtstag des Märchenkönigs. Eine Sonderausstellung in Erinnerung an den Sissi-Film mit Romy Schneider gibt es unter dem Titel  „Sissi & Sisi – Filmphantasie und Wirklichkeit“.

Das Museum ist vom 1. Mai bis 19. Oktober geöffnet, jeweils von Freitag bis Sonntag und an Feiertagen.

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