Süddeutsche Zeitung

Haushalt in Pöcking:Die fetten Jahre sind vorbei

Weil die Rücklagen schmelzen, muss gespart werden. Zudem droht der wohlhabendsten Landkreis-Gemeinde, Einnahmen aus der Gewerbesteuer an Firmen zurückzahlen zu müssen.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Pöcking

Dieses Jahr muss sogar die reiche Gemeinde Pöcking den Rotstift ansetzen: Vor drei Jahren noch hatte sie mehr als 80 Millionen Euro auf der hohen Kante, bald schon werden die Rücklagen nun auf Null abgeschmolzen sein. Dafür gab es mahnende Worte des Zweiten Bürgermeisters Albert Luppart (PWG), der die Gemeinderatssitzung für den erkrankten Bürgermeister Rainer Schnitzler (PWG) leitete. "Auch für Pöcking sind die fetten Jahre vorbei", stellte er fest. Zwar sei die Liquidität immer noch gut, doch in den kommenden Jahren werde die Gemeinde den Vermögenshaushalt anzapfen müssen.

Wie in den Vorjahren sind die Gewerbesteuereinnahmen - etwa zehn Millionen Euro - schwankend. Dennoch muss Pöcking dieses Jahr knapp zehn Millionen Euro aus den Rücklagen entnehmen. Mehr als die Hälfte davon gehen in den Verwaltungshaushalt, ein weiterer Teil in die Kreisumlage mit insgesamt 13,46 Millionen. Größtes Problem ist eine drohende Gewerbesteuerrückzahlung: Pöckinger Unternehmen haben schon vor einem Jahrzehnt Klage eingereicht, die bislang vom Gericht aber nicht bearbeitet wurde.

Zwar hat die Gemeinde einen Sondertopf von 30 Millionen Euro angelegt, doch der wird im schlimmsten Fall nicht ausreichen: Laut Kämmerer Michael Schmid wäre spätestens 2025 "schlagartig die komplette Sonderrücklage wie auch die allgemeine Rücklage aufgebraucht". Daher müssten alle geplanten Investitionen und freiwilligen Ausgaben schon jetzt auf den Prüfstand.

Pöcking profitierte in den vergangenen Jahrzehnten von üppigen Gewerbesteuereinnahmen und bildete hohe Rücklagen. Dies liegt am niedrigen Gewerbesteuerhebesatz von 240 Punkten. Falls er nun aber angehoben werden sollte, könnten die größten Steuerzahler abwandern. Die klagenden Firmen indes müssen in Pöcking bleiben, so lange das Worst-Case-Szenario nicht abgewickelt ist: Nur so haben sie die Chance auf eine Gewerbesteuerrückerstattung. Der "schlimmste Fall" hätte Auswirkungen auf den gesamten Landkreis. Denn sobald die Ausgaben höher sind als die Einnahmen, würde mit zwei Jahren Verzögerung der Steueranteil des zweitgrößten Kreisumlagezahlers wegfallen. Einzig positiver Aspekt: Pöcking bekäme dann erstmals Schlüsselzuweisungen vom Staat.

Pöcking erhöht Gebühren und Grundsteuern

Weitere große Ausgaben betreffen die Kinderbetreuung mit rund zwei Millionen Euro sowie die Personalkosten (4,31 Millionen), werden aber wegen der zu erwartenden Tarifabschlüsse steigen. Etwa zwei Millionen Euro muss Pöcking in den nächsten Jahren anteilig zur Sanierung der Tutzinger Mittelschule bezahlen, hinzu kommen Investitionen in bezahlbaren Wohnraum und Betreutes Wohnen. Auch Kita-Gebühren müssen erhöht werden. Das Hallenbad wird sich die Gemeinde trotz Defizits in Höhe von 400 000 Euro weiterhin leisten, hinzu kommen Investitionen in neue Feuerwehrhäuser in Pöcking und Maising. Hierfür ist eine Kreditaufnahme geplant: Der Kämmerer hat etwa elf Millionen Euro aus der Reserve in Bausparerverträgen angelegt. Zudem werden die Grundsteuern von 310 auf 330 Punkte erhöht, Kindergartengebühren, der Eintritt fürs Hallenbad sowie die Gebühren für Bestattungen und Feuerwehr werden ebenfalls teurer.

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