Haushaltsberatungen:Armes reiches Pöcking

Dem Krösus unter den Gemeinden im Landkreis Starnberg drohen 30 Millionen Gewerbesteuerrückzahlungen, ein Fünf-Millionen-Verlust durch die Greensill-Pleite und Strafzinsen fürs Vermögen.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Pöcking

Trotz einer drohenden millionenschweren Gewerbesteuerrückzahlung, dem drohenden fünf-Millionen-Verlust der Geldanlage bei der insolventen Greensill-Bank und Strafzinsen für das Vermögen in Höhe von etwa 61 Millionen Euro geht es der reichsten Gemeinde im Landkreis immer noch gut. "Der Haushalt macht mir keine Sorgen, die Finanzplanung macht mir Sorgen, wenn der Worst Case kommt", erklärte Bürgermeister Rainer Schnitzler auf der Sondersitzung zum Haushalt am Dienstag mit Blick auf das Damoklesschwert Gewerbesteuerrückzahlung in Höhe von rund 30 Millionen Euro. Dennoch verabschiedete der Hauptausschuss einstimmig ohne längere Debatte nach dreistündiger Sitzung das 414-Seiten starke Papier zum Haushalt 2022 sowie die Finanzplanung bis 2025.

Die Steuereinnahmen der Gemeinde sprudeln zwar nicht mehr so üppig wie in der Vergangenheit, aber im Vergleich zu den Nachbargemeinden mit etwa 15 Millionen Euro noch immer auf hohem Niveau. Allerdings sind dieses Jahr auch 17 Millionen Euro für die Kreisumlage fällig - mehr, als Pöcking an Steuereinnahmen erziele, stellte Schnitzler klar. Das Minus im Verwaltungshaushalt muss deshalb durch eine Zuführung aus dem Vermögenshaushalt in Höhe von insgesamt 16,4 Millionen Euro ausgeglichen werden. Kämmerer Michael Schmid ist das Jonglieren mit Millionen gewohnt. Seit dem Greensill-Debakel darf Pöckings Vermögen aber nur noch bei öffentlichen Banken oder Genossenschaftsbanken angelegt werden. Dort müssen jedoch Verwahrzinsen bezahlt werden, allein dieses Jahr etwa 60 000 Euro. Allein für die zehn Millionen Euro auf dem Giro-Konto der Gemeinde fallen laut Schmid Strafzinsen von monatlich 5000 Euro an. "Da blutet mir das Herz", sagte Schnitzler, zumal Pöcking bislang jährliche Zins-Einnahmen in sechsstelliger Höhe hatte.

Der Rathauschef rechnet frühestens im Jahr 2023 mit einem Urteil zur Steuerrückzahlung. So lange muss Pöcking die kalkulierten 30 Millionen mit jährlich sechs Prozent verzinsen, gleichzeitig aber muss die Gemeinde Strafzinsen zahlen. Laut Schnitzler existiert zwar ein Urteil, wonach diese Praxis verfassungswidrig ist, das aber sei bislang ignoriert worden. Nun muss die Gemeinde ihre Investitionen nach diesem Szenario ausrichten: Der Kämmerer muss "auf Sicht fahren", größere Investitionen -etwa die Feuerwehrhäuser in Pöcking und Maising - wurden auf 2023 verschoben. Lediglich die energetische Sanierung gemeindeeigener Gebäude und die Straßensanierung werden weiter vorangetrieben. Zwar fährt die Gemeinde ein Defizit von jeweils etwa einer halben Millionen Euro bei Kinderbetreuung, Hallenbad und Beccult ein. Sparvorschläge wurden jedoch nicht gemacht.

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