Süddeutsche Zeitung

Fährmann Stefan Seerieder ist gestorben:"Er war das Gesicht vom Starnberger See"

Stefan Seerieder hat mit seiner Zille Tausende von Besuchern zur Roseninsel übergesetzt. Jetzt ist das Pöckinger Original mit 53 Jahren gestorben. Ein Nachruf.

Von Sylvia Böhm-Haimerl

Oft ist der Fährmann Stefan Seerieder während der Überfahrt vom Lenné-Park zur Roseninsel gefragt worden, was er im Winter mache, wenn der Fährbetrieb am Starnberger See saisonbedingt eingestellt ist. "Das Geld raushauen, das ihr mir bringt", hat er dann schlagfertig geantwortet. So kannte man den gebürtigen Pöckinger: braungebrannt in Lederhose mit Hosenträgern, auf denen das Logo des Trachtenvereins "d' Würmseer Pöcking" prangte, und immer zu Scherzen aufgelegt. Am Samstag ist der 53-Jährige nach kurzer, schwerer Krankheit gestorben.

Stefan Seerieder war nicht nur ein allseits bekannter Roseninsel-Fährmann und Fremdenführer, er war ein Pöckinger Original. Wenn er die Besucher mit seiner Zille übersetzte, konnte der "Seenswerte", wie er in Anspielung auf seine Event-Agentur "Seenwerte" genannt wurde, viel erzählen über die Roseninsel, den Starnberger See und Oberbayern. So mancher Besucher wunderte sich, was der Mann in den wenigen Minuten alles unterbrachte. Ob bayerische Geschichte oder Anekdoten: Er erzählte versiert, locker und leicht, ließ Witze einfließen und brachte die Menschen zum Lachen.

Manchmal gab er sich hintersinnig und fragte sich etwa bei einem Brautpaar, das während der Überfahrt richtig nass geregnet worden war, was das wohl für die Ehe bedeute. Und wenn ihm jemand sympathisch war, ging Seerieder wie selbstverständlich zum bairischen "Du" über. Wegen seiner unkonventionellen Art gab es Stammgäste, die nur von ihm übergesetzt werden wollten. "Er war überall zugange. Er war das Gesicht vom Starnberger See", sagt sein Großcousin Bernhard Zillner, mit dem er den Fährbetrieb leitete.

Seerieder war fest verwurzelt im Dorf, er war lange Oberbursch, Mitglied im Trachtenverein und hat Bauerntheater gespielt. Er habe viele Dinge gemacht, bis er die Leidenschaft entdeckt habe, den Gästen von seiner Heimat zu berichten, sagt seine Schwester Johanna Anzill. Auch wenn er weite Reisen unternahm und in der Welt zu Hause war, die Heimat liebte er über alles. "Ich möchte nirgendwo anders wohnen", hat er einmal gesagt. Seerieder ist in einer Privatklinik direkt am Starnberger See zur Welt gekommen, an Fronleichnam. Auch darauf sei er sehr stolz gewesen, erinnert sich seine Schwester Johanna Anzill, die ihn als sehr beliebt charakterisiert, aber auch als einen Menschen mit Ecken und Kanten.

Julia Thielmann vom Feldafinger Strandbad sagt: "Er war ein ganz spezieller Typ, nicht einfach, aber ehrlich, und hat immer seine Meinung gesagt. Aber er war ein herzensguter Mensch." Für sie, ihre Familie und für Pächterin Sarah Wiesböck sei er "ein sehr, sehr, sehr guter Freund" gewesen. Er habe für das Strandbadteam einen unvergesslichen Betriebsausflug organisiert und für die Kinder den Nikolaus gespielt. "Und die haben ihn jedes Mal erkannt, obwohl er verkleidet war". Seerieder hatte ein Ritual: Jeden Morgen ging er ins Strandbad und trank einen Kaffee, bevor er seinen Dienst antrat.

Sogar im Lockdown sei er mindestens einmal täglich im Strandbad gewesen und habe Essen abgeholt, sagt Thielmann. "Wir waren eine große Familie, und Stefan war mittendrin. Er hat einfach dazugehört und hinterlässt hier eine Riesenlücke." Seerieder hatte das Motto "Lieber kurz gelebt, und dafür gescheit". "Er hatte noch Pläne. Jetzt ist er mitten aus seinem und aus unserem Leben herausgegangen", sagt seine Schwester.

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SZ vom 31.03.2021
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