Pöcking:Der Söder von nebenan

Stephan Zinner im Pöckinger Literaturzelt

Alles, was Stephan Zinner erzählt, ist "based on a true story". Sagt der Kabarettist jedenfalls.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Kabarettist Stephan Zinner begeistert im Pöckinger Literaturzelt

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Pöcking

Am Ende macht Stephan Zinner dann doch den Söder. Weitgehende unbeachtet lag die Perücke, die das Söder-Double im Singspiel auf dem Nockherberg trägt, während seines Auftritts im Pöckinger Literaturgarten auf einem Styroporkopf gelegen. Erst in der Schlussnummer, setzt sich Zinner die dunkelbraune Haarpracht der bayerischen Politgröße auf den Kopf. Der Dreitagebart des Kabarettisten aus Trostberg passt zwar nicht ganz dazu, auch der fränkische Dialekt kommt ihm nicht über die Lippen. Doch im Bruchteil einer Sekunde ändert sich die Körpersprache. Er holt tief Luft und streckt sich, um auf die Größe von Markus Söder anzuwachsen. Dann stolziert er über die Bühne und strahlt das typisch überhöhte Selbstbewusstsein des bayerischen Ministerpräsidenten aus.

Seit 2006 mimt Zinner Markus Söder auf dem Nockherberg und ist mit ihm vom CSU-Generalsekretär bis zum Ministerpräsidenten aufgestiegen. Und wenn Söder einmal nicht mehr vorkommt im Singspiel? Dann mache er die Merkel, meint er augenzwinkernd. Der Kabarettist kann nicht nur singen, wie er bei seinem Auftritt im mit 200 Besuchern ausverkauften Festzelt in Pöcking bewiesen hat. Sein Programm kam bei den Pöckingern so gut an, dass sich Kulturreferent Albert Luppart noch am gleichen Abend um einen neuen Termin bemüht hat. Dabei blieben die präsentierten "Raritäten" mit Ausnahme des kurzen Söder-Auftritts und des bayerischen Defiliermarsches, mit dem ihn die Pöckinger Blaskapelle begrüßte, weitgehend unpolitisch. Im Interesse des Kabarettisten lagen vielmehr seine eigenen privaten Erfahrungen, etwa als Ehemann einer Frau aus Ostdeutschland oder als Vater von drei Kindern. Alles, was er erzählt, ist angeblich "based on a true story", also praktisch nicht gelogen, wie er im schönsten, mit englischen Ausdrücken gemischten, Chiemgauer Dialekt betont. Er macht sich Gedanken über Dinge, die in der heutigen Zeit Raritäten, also sehr selten geworden sind, etwa gute Bedienungen, Bademeister, Bienen oder die Gleichberechtigung, die auch 2019 ein "rares Omen" ist. Nur aufgrund praktischer Erfahrungen hat er auch seine Auftritte begrenzt auf die Zeiteinheit eines Fußballpokalspiels von 2 x 45 Minuten ("damit können Männer umgehen") und hat durchgehend die Lacher auf seiner Seite.

Im fliegenden Wechsel schlüpft Zinner in verschiedene Rollen, ist einmal der 15-jährige Jugendliche, der "mächtig oversized" ist und deshalb versucht, mit Gitarre und einer tollen Performance bei den Mädels anzukommen. Dann wieder ist er der freundliche Nachbar, der seine halbblinde Vermieterin zum Einkaufen in den Bioladen bringt. Zinner ist ein meisterhafter Stimmenimitator. Je länger der Abend, desto mehr kommt Zinner in Fahrt. Einziger Wermutstropfen war die Technik. Die Musik übertönte leider den Gesang, so dass die Liedtexte teilweise nicht zu verstehen waren. Schade, denn Zinner hätte auch in seinen Songs viel zu sagen gehabt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: