Süddeutsche Zeitung

Integration:Wie Flüchtlinge dank einer Spende online Deutsch lernen können

Ein Pöckinger Paar schafft 30 Laptops an, um mit Sprachkursen nachhaltig zu helfen. Das Landratsamt sucht dafür noch Paten.

Von Mira Schrems

"Für Menschen, die in unserem Land ankommen, sind zwei Dinge besonders wichtig: Bildung und Sprache", stellt Pöckings Bürgermeister Rainer Schnitzler das neue Pilotprojekt im Landkreis Starnberg vor. Mit 30 gespendeten Laptops sollen Flüchtlinge an ihren Sprachkenntnissen und Qualifikationen für den Berufsmarkt arbeiten können, um Zukunftsperspektiven zu entwickeln. Landrat Stefan Frey ergänzte, er sei "stolz, dass wir an so einem Projekt mitwirken dürfen. Integration ist ganz wichtig, da viele der 2015 Gekommenen noch bei uns sind und einen Weg in den Job finden sollen".

Nach Absprache mit Dimitra Trottmann, der Asylbeauftragten der Gemeinde, spendete das Pöckinger Ehepaar Eva und Martin Schoeller die Computer als "nachhaltige Art zu helfen", da sie in der Pandemie gemerkt hätten, wie großartig es sich damit lernen ließe. Trottmann entwickelte mit Barbara Huber und Katharina Trägler vom Fachbereich Asyl des Starnberger Landratsamts das Projekt. Sie sagte, dass sie für die Teilnahme Personen ausgewählt habe, "die sonst gar keine Chance haben. Wir haben diejenigen rausgesucht, die keine weitere Möglichkeit haben, eine Arbeit oder eine Ausbildung zu finden oder auch nur einen Kurs zu belegen". Das seien in erster Linie Geduldete und Menschen, die schlecht Deutsch sprechen.

Es gibt aber auch vier Teilnehmer, die in einer Ausbildung stecken und mit dem Laptop ihr Deutsch verbessern sollen. Das Programm richte sich speziell an junge Menschen, die beschäftigungs- und perspektivlos sind. "Mir tut das in der Seele weh, wenn ich sehe, da sitzt jemand, der weiß nicht, was er mit seinem Leben anfangen soll. Wir verschwenden hier so viel Potenzial!", kritisierte Trottmann die Lebensumstände Geduldeter. "Wir unterstützen hier Leute, damit sie mit Duldung eine Ausbildung bekommen. Das geht nur mit Deutsch."

Jede der 30 ausgewählten Personen soll zweimal wöchentlich für eineinhalb Stunden mit einem Lernpaten am Laptop arbeiten. Bevor sie diesen ausgehändigt bekommen, müssen die Teilnehmer eine Leihgebühr von 50 Euro zahlen, die bei Abschluss des Kurses mit einem Sprachzertifikat erstattet wird. "Wir haben die Personen daraufhin geprüft, ob sie es ernst meinen. Der Laptop soll nicht einfach ein Geschenk bleiben, sondern sie müssen ihn sich erarbeiten", so Trottmann.

Das Projekt soll über sechs Monate laufen. Es gehe darum, dass der Teilnehmer Wille zur Mitarbeit zeige. Daher würden für jeden individuelle Lernziele festgelegt, die er zu erreichen habe. Das werde stetig mit von den Lernpaten geführten Formblättern überprüft. Nach drei Monaten werde kontrolliert, ob der Laptop dem Anspruch der Verantwortlichen entsprechend genutzt wird, erklärt Trottmann. Falls nicht, müssen ihn die Teilnehmer wieder abgeben. Sollte der Computer beschädigt werden oder gar abhanden kommen, muss der Teilnehmer 250 Euro bezahlen. Nach den sechs erfolgreichen Kursmonaten dürfen alle die Geräte behalten.

Die größte Herausforderung sei es Barbara Huber zufolge gewesen, 30 ehrenamtliche Lernpaten zu finden. Ihre Kollegin Katharina Trägler gab an, dass noch drei Paten fehlten. Die Ehrenamtlichen, die sich an dem Projekt beteiligen, seien sehr gemischt. Unter ihnen seien schon lange ehrenamtlich Engagierte, aber auch Schüler. "Nicht jeder kann automatisch Deutsch unterrichten", gab Trägler zu. Die Lernpaten kämen je zur Hälfte aus Pöcking und aus Starnberg. Welcher Pate welchen Zögling zugeteilt bekommt, entscheiden Dimitra Trottmann und Simone Berger, die Leiterin des Koordinierungszentrums für Bürgerschaftliches Engagement im Landratsamt - kurz: Kobe. Für das gemeinsame Online-Lernen hat die Volkshochschule dem Projekt ihr VHS-Lernportal zu Verfügung gestellt. Zwei ebenfalls ehrenamtliche technische Leiter weisen die Paten darin ein.

Sabine Borsdorf hat sich als Lernpatin gemeldet, sie habe allerdings "immer Sorge vor PCs". Ihre Mitstreiterin Petra Zapletal erzählte, dass man sich von den Geflüchteten bei der Technik auch viel beibringen lassen könne. Huber ergänzte, dass Projekt sei für alle Beteiligten "ein Lernprozess. Für alle, die durchhalten, ist es ein Wachstumsprozess". "Wir haben uns das am Anfang deutlich leichter vorgestellt", man müsse aber nicht technisch versiert sein, dafür gäbe es die technischen Leiter, meint Trottmann. Sie hofft auf Nachahmer, die weitere Laptops spenden für die etwa tausend Flüchtlinge, für die sie mitverantwortlich ist. An einer Online-Lernpatenschaft Interessierte können sich im Landratsamt unter 08151/148673 oder 148314 melden.

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SZ vom 08.10.2021
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