Es ist das Beteiligungsparadoxon, das Bürgermeistern, Stadt- und Gemeinderäten zu schaffen macht, ganze Verwaltungsabteilungen auf Trab bringt und externen Kommunikationsprofis zu immer mehr Einsätzen verhilft: Je weiter eine Planung fortgeschritten ist, je mehr Details also schon feststehen, desto schwieriger und teurer werden Änderungen. Je später der Zeitpunkt ist, desto mehr Betroffene und Nachbarn wachen aber auf, gehen im Zweifelsfall auf die Barrikaden und fordern Mitsprache sowie Änderungen ein. Eine Regionalkonferenz des Regionalmanagements München-Südwest für alle Würmtal-Gemeinden, die Städte München, Starnberg und Germering nahm sich vor kurzem im Planegger Kupferhaus des Problems an - gerade im Hinblick auf den Dauer-Zankapfel Wohnungsbau. "Siedlungspolitik und Kommunikation" war das Motto des Abends für mehrere Dutzend Bürgermeister, Gemeinderäte und Mitarbeiter von Verwaltungen.
Gemeinsame Erkenntnis: Je frühzeitiger und transparenter die Kommunen agieren, desto weniger eskalieren Nachverdichtungsprojekte oder Ortsmitte-Planungen. Daniel Schreyer, der sich für das Unternehmen Hendricks & Schwartz viel um Krisenkommunikation kümmert, brachte das auf einen Nenner: Gemeinderäte müssten sehen, dass sich Bürger "die Entscheidungskompetenzen nehmen", falls sie sich ausgebootet fühlten. Wie man dann einen Bürgerentscheid mustergültig vorbereitet, wenn es denn auf einen zuläuft, erläuterte Gerd Kleiber (FDP), Dritter Bürgermeister der Gemeinde Kirchheim. Nach 40-jährigem Tauziehen um eine mögliche neue Ortsmitte zwischen Kirchheim und Heimstetten hatte sich die Kommune eine Informationsoffensive verordnet, mit 20 Dialogveranstaltungen und 1650 Besuchern; sämtliche Unterlagen bis hin zu Vorverträgen konnten aus dem Internet heruntergeladen werden und wurden auch 951 Mal downgeloadet. Aus schwieriger Ausgangslage haben sich dann knapp 72 Prozent der Kirchheimer für die neue Ortsmitte entschieden und die Planung durch kreative Vorschläge sogar noch optimiert.
Ein vielleicht wesentlicher Schlüssel des Erfolgs war für Kleiber dabei der bewusst offene Bürgerentscheid. Man habe die Entscheidung in die Hände der Bürger gelegt, zwar stark für die Ortsmitte geworben, aber Argumente zugelassen und Transparenz bis ins Detail gezeigt. Für Gräfelfings Bürgermeisterin Uta Wüst (Interessengemeinschaft Gartenstadt Gräfelfing) nicht zuletzt eine Frage des Aufwands. Daniel Schreyer hatte dafür sogar Zahlen parat: Man gehe für eine entsprechende Kommunikation - alles zusammengerechnet - von einem Prozent der Entwicklungssumme aus. In den Kommunen seien im Durchschnitt fünf Ansprechpartner, bei größeren Projekten auch einmal die doppelte Zahl involviert.
Viel Geld und Personalaufwand - aber womöglich allemal billiger und besser als Konfrontation, Streit in der Kommune, Ängste bei den Bürgern. Brigitte Kössinger, Erste Bürgermeisterin der Gemeinde Gauting und Vorsitzende des Regionalmanagement-Vereins, plädierte deshalb für eine "starke Kommunikation". Es gelte die Bürger zu überzeugen, andernfalls greife der Nimby-Effekt. "Not in my backyard", übersetzt "nur nicht in meinem Hinterhof", sei etwas, was jeder Bürgermeister kenne. "Wir wollen die Bürger ernst nehmen und Ängste nehmen", sagte Kössinger. Für Natalie Schaller von der Münchner Mitbauzentrale ist deshalb echte Partizipation entscheidend. Das sei mehr als bloße Information. Da schlössen sich Mitsprache, Mitentscheidung und Mitarbeit an. Jedenfalls hat Schaller bei den von ihr begleiteten Wohnprojekten die besten Erfahrungen damit gemacht, aus Gruppenprozessen und gemeinschaftlichen Überlegungen, etwa auch mit Nachbarn, einen Mehrwert zu ziehen.
Das gilt genauso für den künftigen Ortspark in Kirchheim, der 2024 Schauplatz einer Landesgartenschau werden wird, wie für Neubauten - mit womöglich Begegnungsmöglichkeiten auch für die schon Ansässigen. Was aber sei zu tun, wenn man keinen Spielraum mehr habe, wollte Planeggs Bürgermeister Heinrich Hofmann (SPD) wissen. Planegg habe gerade noch zwei Grundstücke, für die es schon Pläne gebe. Da müsse man kreative Modelle entwickeln, fand der Kraillinger Gemeinderat Werner Engl (Grüne) und brachte das Beispiel einer Erbengemeinschaft ins Spiel: Deren Grundstück müssten ja nicht zwangsläufig an einen Bauträger gehen.