Plädoyer des Staatsanwalts:Technosan-Chef soll fast sieben Jahre in Haft

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Staatsanwalt geht davon aus, dass der Eigentümer der Kraillinger Entsorgungsfirma in 200 Fällen hochgiftigen Müll illegal beseitigt hat. Weitere Angeklagte könnten mit Bewährungsstrafen davonkommen

Von Christian Deussing, Krailling/München

Mit starrem Blick hat am 61. Prozesstag der frühere Chef der Entsorgungsfirma Technosan aus Krailling, Alexander C., das zweistündige Plädoyer des Staatsanwalts im Landgericht München II verfolgt. Der Ankläger forderte am Montag wegen gewerbsmäßiger, betrügerischer Abfallentsorgung in mehr als 200 Fällen eine Haftstrafe von sechs Jahren und neun Monaten. Er sah es als erwiesen an, dass durch illegale und umweltgefährdende Beseitigung und Lagerung von hochgiftigem Gleisschotter, Bauschutt und Böden ein Schaden von etwa 5,8 Millionen Euro entstanden ist. Es geht um insgesamt 236 000 Tonnen Industriemüll.

Der einstige Recycling-Unternehmer wird als Drahtzieher bei den Geschäften angesehen, weil er sich bereichern wollte, so der Vorwurf im Plädoyer. Er habe die Aufträge erteilt sowie die Verträge gemacht - "und kaum etwas aus der Hand gegeben", betonte Staatsanwalt Thomas Böx. Für den Mitangeklagten Wolfgang B., dem Betriebsleiter auf der seit November 2012 geschlossenen Verwertungsanlage in Neuötting, verlangte er lediglich eine zweijährige Freiheitsstrafe auf Bewährung und eine Geldstrafe von 20 000 Euro. Denn dieser Technosan-Mitarbeiter hatte nach dem ersten Verdacht bei den Ermittlern ausgepackt und reinen Tisch gemacht. Der 52-jährige Angeklagte war laut Anklage als Scheinselbstständiger beschäftigt gewesen. Er hatte gestanden, auf Anweisung des Firmenchefs aus Krailling Schadstoffwerte von Proben "passend gemacht" sowie die Bandwaage und Dokumente manipuliert zu haben. Maschinenführer Stefan S. half vor allem dabei, Ablagerungen auf dem Neuöttinger Areal falsch zu deklarieren oder Proben für günstigere Werte zu mischen. Auch Stefan S. gestand seine Mithilfe, für ihn forderte Böx eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten.

Auf der Anklagebank sitzt zudem die Ex-Projektleiterin der Kraillinger Technosan-Zentrale, Daniela T. Der Staatsanwalt ist überzeugt, dass sie bei den Betrügereien ebenso mitgemischt hat. Sie sei aber sicherlich unter Druck gesetzt worden, hielt ihr der Ankläger zugute. Allerdings weist Daniela T. die Anschuldigungen in dem Mammut-Verfahren zurück. Sie könnte nun mit einer zweijährigen Bewährungsstrafe davonkommen.

In seinem Plädoyer hob der Staatsanwalt hervor, dass Alexander C. Leistungen berechnet habe, ohne dass sie erfolgt seien. So seien viele Tausend Tonnen Material nicht gesiebt, gebrochen oder - wie vorgegeben - thermisch behandelt worden. Denn die Technosan-Anlage habe oft gar nicht funktioniert. Die Erklärung des Hauptangeklagten zum Auftakt des Prozesses am 30. April 2014 bewertet Böx als "zutiefst strategisch" und nicht glaubwürdig. Damals sprach der Abfall-Manager zwar von "Fehlern", aber auch von "zu pauschalen Vorwürfen". C. saß knapp 18 Monate in U-Haft; in seiner Villa in Krailling entdeckten die Fahnder zudem eine illegale Pistole mit Munition im Wandtresor und einen passenden Halfter. Auch das wird dem 48-Jährigen zur Last gelegt.

© SZ vom 29.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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