Energiewende:Wie Photovoltaik zur Geduldsprobe wird

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Die Dächer einiger ihrer Liegenschaften rüstet die Gemeinde Attenkirchen mit Photovoltaik-Anlagen aus (Symbolfoto). (Foto: Marijan Murat/dpa)

Die Solarzellen sind montiert, doch bis Elektrizität ins Netz eingespeist wird, vergehen Monate - dieses Problem erleben derzeit viele, die sich für Solarenergie entscheiden. Woher kommen die Verzögerungen?

Von Justus Niebling, Starnberg

Photovoltaikanlagen sind gefragt, doch wer sich für diese Art erneuerbarer Energie entscheidet, braucht manchmal viel Geduld. Nach der Montage von Solarzellen auf dem Hausdach kann es unter Umständen Monate dauern, bis Strom fließt und damit auch das Geld für die Vergütung. Bürokratische Hürden und Lieferschwierigkeiten scheinen die Hauptgründe zu sein.

Dieses Problem und die entsprechenden Beschwerden kennt man zum Beispiel beim Familienbetrieb Schneider in Berg. Bei Magdalena Schneider beklagen sich Kunden über lange Wartezeiten für die Anmeldung beim Netzbetreiber und die Montage eines neuen Stromzählers. "Die Kunden rufen mich an und fragen, ob wir den Anmeldeprozess nicht beschleunigen könnten, aber ich kann da nichts machen", bedauert sie. Ihr Sohn Alexander Schneider ergänzt: "Die sind nicht besonders glücklich, wenn sie die Anlage bei mir bezahlen müssen, aber noch vier bis sechs Monate warten, bis sie den Strom selbst nutzen können." Die Anmeldung sei "extrem umständlich", findet der Elektro- sowie Sanitär- und Heizungsmeister.

Nach Angaben der Bayerwerk Netz GmbH beträgt die Zeit zwischen Anmeldung und Einbau des Stromzählers im Durchschnitt 33 Werktage. Allerdings ist man sich in dem Unternehmen der Probleme mit den zum Teil langen Wartezeiten durchaus bewusst, räumt Sprecher Christian Martens ein. Mit mehr Personal, flexiblen Einsätzen und Automatisierung wolle man dagegen ankämpfen. Zur Anmeldung der Anlagen auf der Webseite sagt der Sprecher: "Es würde wesentlich schneller gehen, wenn gleich alle notwendigen Informationen vom anmeldenden Betrieb eingereicht werden würden."

Hier liegt laut Alexander Schneider jedoch das Problem. In der Maske zur Anmeldung auf der Webseite der Bayerwerk Netz GmbH würden nicht alle notwendigen Informationen abgefragt. Diese müssten dann nachgereicht werden. Bei dem Netzbetreiber Auskünfte zu bekommen, sei schwierig: "Wenn man dort anruft, findet man selten kompetente Ansprechpartner und wird nur weitergeleitet. Außerdem geben die selbst zu, dass es ein Irrsinn an Dokumenten sei."

Das habe man bei der Bayernwerk Netz GmbH auch erkannt, sagt Unternehmenssprecher Martens. Ein weiteres Problem in diesem Bereich sei, dass Antragssteller Daten doppelt angeben müssten, einmal bei der Bundesnetzagentur und zusätzlich beim Netzbetreiber. Diese Listen würden dann kontrolliert und per Hand abgeglichen. "Dann steht links der Ehemann in der Liste und rechts die Ehefrau: Die Daten sind die gleichen und dem Klimawandel ist das auch egal, aber dem muss eben nachgegangen werden." Seiner Ansicht nach wäre es sinnvoll, wenn die Daten nur einmal angegeben werden müssten. "Doch dazu muss man das EEG-Gesetz ändern, das wäre eine Entscheidung auf Bundesebene", erklärt Martens.

Gerd Mulert (rechts) sieht die verschleppte Energiewende als Ursache für die Sorge vor dem Blackout. (Foto: Arlet Ulfers)

Gerd Mulert, der Vorsitzende der Energiegenossenschaft Fünfseenland in Herrsching, berichtet, dass er im Sommer mit Netzüberwachern der Bayernwerk GmbH gesprochen habe, die ihm anvertraut hätten, dass Monteure fehlten, die die neuen Stromzähler einbauen könnten. Dafür sei geschultes Personal nötig: "Da kann alles schiefgehen, was man sich vorstellen kann." Der Architekt und Energieberater Robert Philip, der sich bei der Pöckinger Ortsgruppe des Energiewende-Vereins im Landkreis Starnberg engagiert, ist skeptisch: "Also dieses Jahr findet man keine Monteure mehr für die Installation der Stromzähler."

Philip vermutet einen Grund für die langen Wartezeiten bei wirtschaftlichen Interessen der Stromkonzerne: "Die sehen ihre Felle davonschwimmen. Wenn immer mehr Menschen ihren Strom selbst auf dem Dach produzieren, verlieren sie ihre Kunden." Bayernwerk-Sprecher Martens weist diesen Vorwurf zurück: "Wir sind lediglich Netzbetreiber, nicht Stromvertreiber. Das ist beides gesetzlich voneinander getrennt. Daher würden wir daraus keinen finanziellen Nutzen ziehen."

Er sieht das größere Problem nicht bei der Anmeldung sondern bei der Materialknappheit. Was jetzt bestellt werde und aus Asien geliefert werden müsse, stehe erst im nächsten Winter zur Verfügung. Auch Alexander Schneider sieht das Probleme in der Beschaffung des notwendigen Materials. So dauere es bei Montagematerial für die Befestigung der Solarplatten auf dem Dach sowie bei Speichersysteme bis März oder April, wenn man diese zurzeit bestelle. Wärmepumpen, die gerne in Kombination mit Photovoltaikanlagen genutzt werden, um effizienter Wärme zu produzieren, würden erst zum Jahreswechsel 2023/2024 lieferbar sein.

Wer in der Zwischenzeit schon etwas für das Klima tun will, kann sich eine einfache Solaranlage für den Balkon kaufen und sie einfach in die Steckdose stecken. Diese sogenannten Balkonmodule gibt es bereits ab 300 Euro. In der Gemeinde Dießen werden diese Module seit diesem Monat öffentlich gefördert. Pro Grundstück und Anlage gibt es dafür einen Zuschuss in Höhe von 100 Euro.

Erklärtes Ziel dieser Förderung ist es, "den Bürgerinnen und Bürgern einen Anreiz zur Umsetzung energiesparender Maßnahmen sowie zur Erzeugung und Nutzung von regenerativen Energien zu geben und auf diese Weise eine Verringerung des Energieverbrauches und des Schadstoffausstoßes zu erreichen." Die Leistung eines Moduls ist auf höchstens 600 Watt begrenzt. Damit kann aber immerhin der Jahresverbrauch einer Waschmaschine und eines Kühlschranks in einem Zwei-Personen-Haushalt abgedeckt werden. Und bürokratischer Aufwand fällt dabei völlig weg.

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