Firmengründer Philipp Sinn aus Gauting nennt es eine „Weltpremiere in Bayern“, Ministerpräsident Markus Söder (CSU) „einfach eine geile Geschichte, was man hier sieht“. In feierlichem Rahmen ist am Freitag in Gilching eine nicht alltägliche Photovoltaikanlage in Betrieb gegangen. Was man dort sieht, das sind 2600 Solarmodule, die auf dem türkisblauen Wasser eines Baggersees schwimmen. Eine weitere Besonderheit ist, dass sie senkrecht stehen. Diese vertikale Ausrichtung hat zur Folge, dass die Anlage vor allem am Vormittag und am Nachmittag Strom produziert, wenn die Sonne tief steht, und nicht am Mittag, wenn oft ohnehin Energieüberschüsse zur Verfügung stehen und deswegen Kraftwerke zum Teil abgeschaltet werden.
Sinn sieht in der Floating-PV-Anlage einen „technologischen Meilenstein“, entwickelt und umgesetzt ohne öffentliche Fördermittel. Mit dieser Technologie werde „eine neue Perspektive für die nachhaltige Energiegewinnung auf künstlichen Binnengewässern eröffnet“. Denn die senkrechte Ausrichtung der Module hat einen weiteren wesentlichen Vorteil: Die Fläche, die überdeckt wird, ist wesentlich geringer als bei konventionellen Anlagen mit waagrechter Ausrichtung. Das ist entscheidend für die Kapazität, denn nach rechtlichen Vorgaben dürfen höchstens 15 Prozent der Fläche eines Gewässers überdeckt werden. Zudem ist die Technologie sturmresistent. Die Module sind so gelagert, dass sie bei starkem Wind umkippen und sich wieder aufrichten und nicht aufwendig abgestützt werden müssen.
„Es ist ein sehr innovatives Projekt“, sagte der Ministerpräsident in seiner Ansprache vor knapp hundert geladenen Gästen aus Politik und Wirtschaft und würdigte die „Ingenieurskunst, die dahintersteht“, den „Spirit“ und die „positive Botschaft“. Es werde eine ganz besondere Rolle spielen und sei ein Beispiel dafür, dass es sehr wohl möglich sei, die Welt zum Positiven zu verändern. Der junge Unternehmer und Firmengründer Sinn, Sohn des Wirtschaftswissenschaftlers Hans-Werner Sinn, hat offenbar gute Kontakte in die Politik. Zum Auftakt der Arbeiten auf dem Baggersee des Kieswerks von Gottfried Jais vor einem Jahr war schon Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger in Gilching.
Verwirklicht wurde die PV-Anlage in vergleichsweise kurzer Zeit. Die Planungen begannen vor zwei Jahren. Auf einer Fläche von 13 000 Quadratmetern schwimmen die Module nun in Reihen im Abstand von jeweils vier Metern auf dem Wasser. Insgesamt ist dort in der ersten Ausbaustufe eine Leistung von bis zu 1,8 Megawatt installiert; es könnte aber auch noch mehr werden. Der Strom aus dem schwimmenden Kraftwerk soll überwiegend verwendet werden, um den Energiebedarf des Kieswerks zu decken. Geschäftsführer Gottfried Jais kündigte weitere Entwicklungen in dieser Richtung an. So könne er sich vorstellen, elektrisch betriebene Baumaschinen in seinem Werk einzusetzen.

Für die Firma Sinn Power ist die Anlage im Kieswerk wirtschaftlich nicht lukrativ. „Wir sind froh, wenn wir da mit einer schwarzen Null rauskommen“, sagt der 47-jährige Geschäftsführer. Vielmehr ist wohl auch dieses Projekt als ein Experimentierfeld zu betrachten. Es ist eine von mehreren innovativen Technologien, die der Ingenieur entwickelt, realisiert und auf den Markt bringt. Zehn Jahre liegen die ersten Wellenkanaltests in Florenz nun zurück, am Forschungsstandort vor der griechischen Insel Kreta bei Heraklion werden schwimmende Plattformen entwickelt und verbessert; sie sind stabil, halten Wellen aus und können auch in der Hochsee eingesetzt werden.
Für die Technologie hätten sie nach langen Bemühungen die maritime Zertifizierung erhalten, erzählte Sinn am Telefon während der Rückfahrt von einem Termin in Italien. „Das ist ein ziemlicher Ritterschlag.“ Ende September war er in Valencia bei der Messe Aquaculture Europa, einer Messe für Fischzüchter, um Vorträge zu halten. Schließlich könnten auch in der Branche schwimmende Kraftwerke einmal gefragt sein.

Es tut sich viel in dem kleinen Gautinger Unternehmen mit eigener Entwicklungs- und Forschungsabteilung, das vor elf Jahren gegründet wurde. Und gerade eröffnen sich ganz neue Perspektiven. In der vergangenen Woche war Sinn auf Einladung der italienischen Marine in La Spezia, um auf dem neuen Flugzeugträger „Trieste“ Gespräche über Einsatzmöglichkeiten für seine schwimmenden Kraftwerke zu führen. „Wir haben der Militärband zugehört, Prosecco getrunken und dann mit Admiralen geredet“, erzählte er noch hörbar aufgeregt am Telefon.
Es ging darum, dass beim Militär Interesse besteht an einer Plattform, die autonom auf Hochsee eingesetzt werden kann und über eine eigene Stromversorgung verfügt; zum Beispiel zur Luftüberwachung. So eine Plattform könnte mit Batterien in einem Container ausgestattet werden und mit einem Motor, um einen bestimmten Standort zu halten. Für militärische Zwecke zu arbeiten, sei für ihn noch ein ungewohnter Gedanke, räumt Sinn ein, „aber vielleicht muss man sich ein Stück weit dafür öffnen“.

