Musik:Bairisches Gesamtkunstwerk

Musik: Animateur, Charmeur, Trompeter und Sänger: Stefan Dettl, der Begründer der Band "LaBrassBanda" beim Stadlfest der Perchtinger Burschen.

Animateur, Charmeur, Trompeter und Sänger: Stefan Dettl, der Begründer der Band "LaBrassBanda" beim Stadlfest der Perchtinger Burschen.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Stefan Dettls "LaBrassBanda" hält beim Konzert im Perchtinger Stadl an die 1000 Zuhörer mit ihrem Turbo-Mix aus Ska, Volksmusik, Reggae und Pogo in Atem - und überrascht mit einer reizvollen Geste.

Von Gerhard Summer, Starnberg

Wollt ihr Kerle sein, ihr Radlertrinker? Blöde Frage, klar, aber irgendwie bringen einen Los Brudalos darauf. Die Vorband des Abends, die fast so klingt, wie sie heißt, rappt und singt in einem ihrer Songs über einen Limo-Versager und kommt zu dem Schluss, dass richtige Männer ihr Bier "mit nix drin" trinken. Punktum. Der restliche Text ist nicht mehr so gut zu verstehen, was kein allzu großer Schaden ist.

Aber was heißt schon Text, und was heißt schon Musik? Stefan Dettl, der Frontmann des Hauptacts, hat später eine bemerkenswerte Antwort parat. Los Brudalos seien mehr so eine Art bairisches Kunstwerk und Aspiranten fürs Guggenheim-Museum, sagt er, als er mit seiner Turbo-Kapelle auf der Bühne steht. Was für ein Charmeur.

Musik: Gut zwei Stunden im Temporausch: "LaBrassBanda" leg los.

Gut zwei Stunden im Temporausch: "LaBrassBanda" leg los.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Freitagabend, Perchting: LaBrassBanda und ihr Gründer, Trompeter und Sänger Dettl, geben sich zum zweiten Mal im Dosch-Stadl bei Starnberg die Ehre. In den Vorjahren hatte die Perchtinger Burschenschaft schon Haindling, die EAV und die Prinzen für ihre Festwochen an Land gezogen, 2018 gastierten die Überflieger aus Übersee im Chiemgau dann erstmals in der Scheune unter dem riesigen Starkstrommasten. Damals waren an die 1000 Besucher dabei.

Auch diesmal sind es so viele, mehr dürften gar nicht rein. Auf dem Gratis-Parkplatz stehen Autos mit Rosenheimer, Münchner, Traunsteiner, Fürther, ja sogar Hamburger Kennzeichen, wobei die zwei Letzteren auch Leasingwagen sein und ihre Fahrer aus der Umgebung stammen könnten, wie die Ordner sagen. Und als Dettl und die Seinen, barfuß wie immer, gegen 21 Uhr mit den Fanfaren von "InDiHöh" loslegen und eine Disko-Nummer und einen für den Tubaspieler heiklen Reggae nachschieben, geht natürlich erstmal die Post ab.

Die Zuhörer singen auch bei neuen Stücken wie "Danzn", "Discobauer" oder "Kaffee vs. Bier" mit

Denn die acht machen bekanntlich Hochgeschwindigkeits-Tanzmusik, die in Nowosibirsk genauso wie in Los Angeles, Budapest, Marrakesch und natürlich erst recht in Perchting funktioniert. Die Masse wogt. Kinder mit Gehörschutz wippen auf den Rücken ihrer Eltern. Hunderte Arme und Dutzende Handys sind in der Luft. Ein cooler Konzertgänger übt sich im Schlangentanz, die älteren Besucher lassen zumindest ihre Beine zucken, das junge Partyvolk, vorwiegend in Tracht, drängt nach vorne. Und wenn man es nicht besser wüsste, könnte man glauben, dass dieses Musikgemisch, das ihnen um die Ohren fliegt, irgendwann unter Stadldach verdampfen muss. So irrwitzig ist das Tempo, das die Band anschlägt, wenn sie Ska, Reggae, Pogo, Techno und Volksmusik vermixt und gelegentlich auch nach Jazz, Soul, nach Balkan und Afrika klingt.

Musik: Ganz vorne dabei: junge und alte Fans beim zweiten Konzert der Chiemgauer Turbo-Kapelle im Dosch-Stadl.

Ganz vorne dabei: junge und alte Fans beim zweiten Konzert der Chiemgauer Turbo-Kapelle im Dosch-Stadl.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Natürlich, viele der Songs sind mit derselben Nadel gestrickt: Stil-Melange mit schneidendem Blech und Mitsingchören - das alles im Affenzahn. Aber die Chiemgauer erlauben sich deutlich mehr Extravaganzen als andere Bands. In der zweiten Nummer gibt es schon mal das erste Schlagzeugsolo von Tobias Weber, der für den erkrankten Manuel da Coll eingesprungen ist. Später dürfen sich Bassist, Gitarrist, Tubaspieler und Posaunist ein wenig austoben. Ja, es folgt sogar eine Art Duell zwischen Trompete und Gitarre, so was machen sonst nur Blueser. Selbst wenn Dettl nicht mit auf der Bühne stünde, wäre das alles schon bemerkenswert, denn die Musiker, allen voran die Bläser, erlauben sich gut zwei Stunden lang keinerlei hörbaren Schnitzer, so sehr die Hochgeschwindigkeits-Nummern auch voranpreschen.

Für die Atmosphäre, die den eigentlichen Reiz dieses Spektakels ausmacht, sorgt dann Dettl, die Freundlichkeit in Person. Er dirigiert die großen "Da-Nanana-nanana"-Publikumschöre und erzählt von einem Auftritt in Dänemark und einem Fan, der ihn in die Nase biss, das sei offenbar so eine Art Wikingergruß. Er schiebt für einen seiner Trompeter das Mikro in die Mitte, damit der beim Solo im Zentrum steht. Er lobt die Zuhörer, die auch bei den neuen Stücken wie "Danzn", "Discobauer" oder "Kaffee vs. Bier" mitgehen und mitsingen, und nicht erst bei Hits wie "Autobahn" oder "Nackert". Und er holt zweimal die Rapper von Los Brudalos auf die Bühne. Welcher andere berühmte Musiker würde sich sonst schon zu einer solchen Geste hinreißen lassen?

Beim wunderbaren Song "Ujemama" geht dann das ganz große Danksagen los: 1000 oder doch wenigstens 300 Leute bedanken sich auf Dettls Kommando hin bei der Natur. Applaudieren für die Jäger und die Bauern, die auf die Tiere achten, und natürlich für die Perchtinger Burschen, den Bürgermeister, den Gemeinderat. Und für das Mixgetränkt Radler? Nein, der Chef von LaBrassBanda, der ebenfalls zu den bairischen Gesamtkunstwerken werden muss, ist Weißbiertrinker.

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