Süddeutsche Zeitung

Starnberger Seerosenorden:Höchste Ehre für die "grünen Wichte"

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Die Faschingsgesellschaft Perchalla zeichnet die "Starnberger Tafel" für ihr herausragendes soziales Engagement aus: Diese verteilt Lebensmittel an die Ärmsten in einer ansonsten reichen Stadt.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

Silberglänzend ist er - und er hat eine plastische, weiße Seerose in der Mitte, umgeben vom tiefblauen Wasser des Starnberger Sees: Der Seerosenorden der Starnberger Faschingsgesellschaft Perchalla. Der höchste Orden, den die Narren seit 1988 stets am Rosenmontag vergeben, ging diesmal an die Starnberger Tafel. Deren Vorsitzende Erika Ardelt bedankte sich zusammen mit den Vorstandsmitgliedern Tanja Unbehaun, Doris Heger, Christina Bolz und Detlev Wagner mit einem fröhlichen "Vergelt's euch Gott, helau Perchalla".

Während der coronabedingten Zwangspause hatte die Perchalla viel Zeit, um sich Gedanken zu machen, wer die Auszeichnung bekommen soll. Dennoch fiel der Führungsriege nach Angaben von Ehrenpräsident Robert Weiß die Suche nicht leicht. Denn im Gegensatz zu den zahllosen gewöhnlichen Orden, welche die Faschingsgesellschaft an ihre verdienten Mitglieder vergeben hat, muss der Seerosen-Ordensträger besonders aufgefallen sein: durch einen humorigen Ausspruch, Fehltritte, einen Flop oder eine Top-Leistung. Dabei komme man nicht umhin, sich mit der lokalen Politprominenz und deren Leistungen oder Versprechen, beziehungsweise Nicht-Leistungen und nicht eingehaltenen Versprechen sowie mit den "persönlichen Eitelkeiten der Möchtegern-Politiker" auseinander zu setzen, erklärte Weiß in seiner launigen Rede.

Im Wahljahr aber habe man keinen der Politiker eine Bühne geben wollen. Im Bereich Sport fand sich ebenfalls keine geeignete Persönlichkeit, obwohl es am Starnberger See mit Oliver Bierhoff, Jens Lehmann oder Kira Weidle viele Promis gibt. Einige davon, etwa die Bundesliga-Volleyballer des TSV Herrsching, sind bereits mit dem Seerosenorden geehrt worden. Ebenso ausgeschieden sind Schauspieler Heiner Lauterbach und Sänger wie Barny Murphy, Peter Rubin oder Helene Fischer. Dieses Jahr habe sich die Perchalla daher mit der Starnberger Tafel für eine Gruppe entschieden, die durch eine besonders "bemerkenswerte Leistung" aufgefallen sei, sagte Weiß.

Laut der Tafel-Chefin Erika Ardelt hatte die soziale Einrichtung eigentlich schon viel früher mit einem Faschingsorden gerechnet, weil sie ihrer Ansicht nach den Narren sehr nahesteht. "Schließlich feiern wir das ganze Jahr Fasching: Jeden Donnerstag verkleiden wir uns als grüne Wichte", sagte Ardelt, die mit ihren Kollegen mit Sonnenhut und grüner Schürze die Bühne betrat. Diese Kleidung tragen die Helfer nicht nur im Fasching, um sich als Marktfrauen oder Gärtner zu verkleiden, sie ist das Markenzeichen der insgesamt 36 ehrenamtlichen Helfer im Alter zwischen 19 und 83 Jahren, wenn sie jeden Donnerstag im Hof der evangelischen Kirchengemeinde Lebensmittel verteilen. Dieser Tag ist laut Ardelt zudem ganz wichtig für soziale Kontakte, die ansonsten oft zu kurz kämen.

"Unsere Prinzengarde sorgt dafür, dass jeder zu seinen Lebensmitteln kommt, und unsere Gäste bewegen sich dann in einer großen Polonaise durch unsere Stände", erklärte Ardelt. Sie betonte, dass ebenso wie bei der Perchalla auch bei der Starnberger Tafel viel gelacht werde. Und ebenso wie bei der Faschingsgesellschaft werde auch bei der Tafel jeder gleich und mit Respekt behandelt. "Ob Jung oder Alt, ob Bayer oder Zugereister: Wie der Humor kennt auch die Armut keine regionalen oder sozialen Grenzen", betonte die Tafel-Chefin, die ihre Rede mit einem Gedicht beendete. "Lebt man in einer reichen Ecke, so meinen viele allzu häufig, dass jeder es hier dicke hätte und Armut sei hier nicht geläufig." Auf dieses Problem verwies auch der Starnberger Bürgermeister Patrick Janik in seiner Laudatio: Angesichts der vielen Porsches auf Starnbergs Straßen sei es mühsam zu vermitteln, dass viele Menschen auf die Tafel angewiesen seien, sagte er. Janik lobte das Engagement der ehrenamtlichen Helfer, die bei Wind und Wetter draußen stehen würden, um Lebensmittel zu verteilen.

Perchalla-Präsident Andreas Denk nutzte die Gelegenheit, um auf die finanziellen Probleme der Faschingsgesellschaft aufmerksam zu machen. Bis zu 700 Ballbesucher seien der beste Beweis dafür, dass sich die Perchalla um das kulturelle Leben in der Kreisstadt ebenso verdient mache wie Schützen- oder Trachtenvereine. Doch seit Jahren gebe es skeptische Stimmen im Stadtrat, wenn es um die finanzielle Unterstützung in Höhe von 7000 Euro für das Faschingstreiben am Dienstag auf dem Starnberger Kirchplatz gehe, monierte er. "Sie dürfen den Fasching nicht sterben lassen, bloß weil es ums Geld geht", betonte auch Peter Steinberger vom Bund Deutscher Karneval. Rathaus-Chef Janik reagierte prompt: Solange er Bürgermeister sei, werde das traditionelle Faschingstreiben am Kirchplatz bleiben, versprach er.

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