Starnberger See:Dorf der Tagelöhner und Villenbesitzer: Wie sich Percha verändert hat

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Benno C. Gantner dokumentiert in "Percha - Zeitgeschichte in Bildern" den Wandel des Starnberger Ortsteils. Aus dem Familienarchiv veröffentlicht der Kunsthistoriker mehr als 600 Fotos.

Von Sabine Bader, Starnberg

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(Foto: Benno C. Gantner/oh)

Blick auf die Würmstraße in Percha im Jahr 1959: Zu dieser Zeit ist die Ortsverbindung zwischen Starnberg und Percha noch nicht ausgebaut.

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(Foto: Georgine Treybal; .)

Blick auf die Würmstraße im Jahr 2019: Heute zählt die Straße an der A 952 zu den stark befahrenen Straßen im Starnberger Ortsteil Percha.

Benno C. Gantner weiß offensichtlich, dass das Interesse an historischem Stoff oft über die Optik geweckt wird. Das war schon bei seinem früheren Buch "Luftbildpioniere vor 100 Jahren" so. Einen ähnlichen Ansatz hat er auch jetzt bei seinem neuen Bildband über den Starnberger Ortsteil Percha gewählt. Dabei hat der 63-jährige Kunsthistoriker eine ganze Menge Recherchearbeit geleistet.

Wer die vielen Fotos in der Chronik "Percha - Zeitgeschichte in Bildern" betrachtet, der erkennt es sofort: Das Buch ist dem Autor ein echtes Anliegen. Das mag daran liegen, dass seine Familie seit Generationen in Percha lebt und sich auch seine Vorfahren für Heimatgeschichte interessiert und Chroniken verfasst haben. Seinem Vater Benno Michael Gantner verdankt er es auch, auf ein solch stattliches Fotoarchiv mit historischen Ortsansichten und Gemälden zurückgreifen zu können. Seit den Siebzigern hat der Autor dann selbst fotografiert und Veränderungen der Ortschaft dokumentiert. "Das Buch möchte Vergangenes und Gegenwärtiges in mehr als 600 zum Teil noch nie veröffentlichten, historischen und zeitgemäßen Fotos aufzeigen und gegenüberstellen, Erinnerungen wecken und zum Nachdenken anregen", heißt es im Klappentext.

Jahrhunderte lang bestand der kleine Ort am nordöstlichen Ufer des Starnberger Sees nur aus gut 20 Häusern. Dann siedelten sich Handwerker und Taglöhner an und schließlich folgten die ersten Sommergäste und Villenbesitzer. Es wurde gebaut, Percha wuchs. Heute hat der Starnberger Ortsteil mehr als 2300 Einwohner und ist damit der zweitgrößte der Stadt.

Brückenbau

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(Foto: Benno Michael Ganrtner/oh)

Im März 1967 ist die Aufregung in Percha groß. Denn die alte Brücke über die Würm wird durch eine Matallröhrenbrücke nach US-Bauweise ersetzt. Zuhauf schauen die Bürger dem Schauspiel zu. Bis heute haben sich die Röhren insbesondere auf der Starnberger Seite um bis zu einen Meter gesenkt, was bisher stets mit Teer aufgedoppelt wurde. Die alte hölzerne Würmbrücke haben die Nationalsozialist 1945 vor dem Einmarsch der Amerikaner gemeinsam mit der Olympiastraßenbrücke gesprengt. Die Aktion konnte den Vormarsch nur ganze zwei Stunden verhindern. bad

Fliegerabsturz

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(Foto: Werner Böhm/oh)

Das im Mai 1945 in einem Privatgarten in Percha abgestürzte Flugzeug der deutschen Wehrmacht war von den Amerikanern beschlagnahmt worden und sollte anscheinend Munition transportieren. bad

Friseurgeschäft

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(Foto: Werner Böhm/oh)

Stolz wirkt die Familie Gantner vor ihrem Friseurgeschäft in Percha. Für den Laden ist das Haus in der Würmstraße 1913 nach hinten erweitert worden, um im vorderen Bereich die Geschäftsräume einrichten zu können. Benno II. Gantner (1899 bis 1990) erlernte in München das Friseurhandwerk weil sein Vater, für den der Laden eigentlich gedacht gewesen wäre, nicht mehr aus dem Krieg zurückgekehrt war. Der Sohn übernahm den Laden 1918. Das Geschäft in diesem Räumen existierte bis 1936, ehe der Neubau auf dem benachbarten Grundstück mit den erweiterten Räumlichkeiten bezogen werden konnte. Das Foto zeigt von links Benno II. Gantner, Maria Stein mit Sohn Hansel und Benno I. Gantner im Jahr 1920. bad

Dorfschmied

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(Foto: Benno Michael Gantner/oh)

In der Dorfschmiede fertigte Johann Mader Eisenwaren - von der Heugabel bis zum Gartentorbeschlag. Durch ihn hatte Percha bis 1980 noch immer einen eigenen Schmiedemeister. Das Foto stammt aus dem Jahr 1961. Das Gebäude steht noch heute an der Buchhofstraße. Es ist allerdings leer. bad

Kramerladen

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(Foto: Alois Berberich/oh)

1969, als das Foto an der Würmstraße entstand, waren die Regale des Kramerladens noch gut gefüllt. Das Gebäude ist 1898 von Benno Grasberger aus Starnberg als Wohnhaus erbaut worden. Er verkaufte es 1900 an Anni Huber, die darin ein Lebensmittelgeschäft einrichtete. 1969, als dieses Foto entstand, gehörte es der letzten Ladeninhaberin Maria Berberich. bad

Ortsbildprägend für Percha war sicher, dass sich die Ursberger St. Josephskongregation angesiedelt hat. "Anfangs wurden drei Landhäuser und mehrere Bauernhöfe als Grundstück erworben, dem folgen 1901 ein Ökonomiegebäude und 1936 eine umfangreiche Klosteranlage", schreibt er. Das Kloster hat auch die Infrastruktur des Ortes verändert. Laut Gantner hatte der Gründer Dominikus Ringeisen den Plan gehabt, eine "Rekonvaleszentenanstalt" mit landwirtschaftlicher Selbstversorgung zu errichten. Rückblickend ist Gantner der Auffassung, dass Percha mit dem ehemaligen Kloster, heute das Seniorenzentrum Malteserstift St. Josef, einen Glücksgriff gemacht hat. Denn die ausgedehnten Ländereien auf dem Höhenrücken oberhalb des Ortes wurden nie bebaut.

Als um 1880 die ersten Sportvereine am Starnberger See gegründet wurden, war dies der Startschuss für den Wassersport. Zuerst wurde in der Freizeit gerudert, doch sehr schnell kamen Segelschiffe in Mode. Dafür waren natürlich Bootsbauer von Nöten. Kein Wunder, dass in den Folgejahren gleich drei Werften in Percha entstanden. Zuerst die Rambeck-Werft an der Würm (1883), 1922 folgte die Sattler Werft und um 1950 die Werft von Josef Vötterl. Im wahrsten Sinne des Wortes einschneidend war für Percha der Bau der vier Kilometer langen Autobahn A 952 von der Autobahn A 95 hinunter nach Starnberg in den Jahren 1965/66. Sie teilt den Ort bis heute in zwei Hälften. Gantner, dessen Haus direkt an dem kurzen Autobahnstück liegt, beklagt den Lärm und die Abgase, die sich "in Percha bündeln".

Gantner befasst sich mit den verschiedenen Ortsansichten - von Starnberg und vom Klosterberg (Selchaberg) aus - ebenso, wie mit dem alten Perchaer Ortskern. Alles dokumentiert er mit Fotos verschiedener Epochen. Ein Kapitel widmet sich der gotischen Dorfkirche Sankt Valentin im alten Ortszentrum. Sie ist laut Gantner das älteste Gebäude des Ortes und wird erstmals 785 erwähnt. Dass von der ursprünglichen Kirche so gut wie nichts mehr vorhanden sein dürfte, zeigt sich daran, dass in der zweiten Nennung 1172 von der Einweihung der neuen Kirche die Rede ist. Von Sankt Valentin zeigt Gantner in seinem Buch hauptsächlich Innenansichten. Spannend sind die Bilder vom Bau der neuen Perchaer Kirche Sankt Christophorus an der Straße in Richtung Berg.

Der Kunsthistoriker Benno C. Gantner leitet den Arbeitskreis Ortsgeschichte-Forscher im Landkreis. In seinem neuen Buch befasst er sich mit seinem Heimatort Percha. (Foto: Arlet Ulfers)

Ausführlich befasst sich Gantner auch mit dem Schlossgut Buchhof, dessen Geschichte, und besonders mit dem Schloss selbst, das 1875 von Guido von Maffei erbaut wurde. Heute präsentiert sich Gut Buchhof völlig anders. Es wurden zahlreiche neue Bauten errichtet, denn das Gelände, das der Landeshauptstadt München gehört, beherbergt heute die Munich International School.

Doch in dem Buch geht es nicht nur um Bauten. Es zeigt auch historische Fotos von Geschäften, darunter die Dorfschmiede in der Buchhofstraße mit Schmiedemeister Johann Mader, einen Kolonialwarenladen und das Friseurgeschäft der Familie des Autors. Gantner dokumentiert zudem prägende Ereignisse fotografisch wie den Todesmarsch im April 1945, bei dem die geschundenen KZ-Häftlinge von Dachau aus auch durch Percha getrieben wurden. Er zeigt Bilder von zwei Hochwassern 1940 und 1965. Und er lässt den damals vierjährigen Werner Böhm erzählen, wie er den Flugzeugabsturz am 19. Mai 1945 im Garten seiner Großmutter erlebt hat.

Zwei Jahre hat der Kunsthistoriker an seinem Buch über Percha gearbeitet. Gantner leitet zudem den Arbeitskreis Ortsgeschichte-Forscher im Landkreis Starnberg und ist im Antiquitätenhandel seiner Frau tätig. Maria-Luise Hopp-Gantner hat sich auf Skulpturen spezialisiert und verkauft diese ausschließlich an Museen. Den Apelles Verlag für Kunst- und Lokalgeschichte, in dem auch das Percha-Buch erschienen ist, haben die Gantners selbst gegründet. Ihr Verlag veröffentlicht nicht nur eigene Werke, sondern auch die Bücher anderer Autoren, sofern diese zur Sparte passen.

"Percha - Zeitgeschichte in Bildern", 284 Seiten, kostet 39,80 Euro im Buchhandel.

© SZ vom 05.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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