Die Gemeinde Pähl will für die Wege in der Pähler Schlucht nicht mehr die Verantwortung tragen: In der jüngsten Gemeinderatssitzung wurde laut Auskunft von Bürgermeister Simon Sörgel bei nur einer Gegenstimme beschlossen, „einen Entwidmungsprozess zu starten.“ An dessen Ende soll die Kommune nicht mehr für Unterhalt und Verkehrssicherungspflicht der Wege zuständig sein. Hauptgrund ist das enorme Haftungsrisiko, dass die Gemeinde im Fall von Unfällen eingeht. Zudem würden die Kosten für die Wegesicherung mehrere Millionen Euro betragen.
Die Schlucht, vormals wildromantisches Ausflugsziel mit 15 Meter hohem Wasserfall, ist schon seit drei Jahren gesperrt: Die Kommune hatte nach einem Starkregen, der im Juni 2021 einen Felssturz auslöste, die Schlucht wegen Lebensgefahr mittels Allgemeinverfügung bis auf Weiteres gesperrt. Das Betreten des als Naturschutzgebiet ausgewiesenen Areals abseits der offiziellen Wege ist seither verboten.
Das vielschichtige Terrain zwischen der östlichen Ortsgrenze von Pähl und der Olympiastraße (B2) bietet eine der wenigen Gelegenheiten, an den Wänden die Geologie des Alpenvorlands und die erosive Kraft des Burgleitenbachs zu verfolgen. Der umgebende Schluchtwald wurde jedoch beim Abholzen im Februar 2014 stark beeinträchtigt: Die Eigentümer ließ mit Billigung des damaligen Bürgermeisters hunderte alte Bäume mit brachialem Maschineneinsatz fällen. Der Bund Naturschutz Deutschland prangerte den Eingriff 2016 in seinem jährlichen Waldreport an: Die Pähler Schlucht führte die bundesweite Liste von zehn negativen Fallbeispielen in Deutschland an.
Regelmäßig hingegen formt die Natur selbst das Biotop um. 1999 und 2002 verwandelte sich der Burgleitenbach nach Starkregen in einen reißenden Strom, der alle Wege und Stege weggespülte. Vor zehn Jahren rutschte eine Mure über einen Trampelpfad, vor fünf Jahren wurde am Wasserfall ein Fünfjähriger von Geröll fast verschüttet, kam aber mit Abschürfungen davon. 2014 plante der damalige Bürgermeister Werner Grünbauer, den Weg im hinteren Teil wieder herzustellen oder auszubauen. Das Vorhaben scheiterte an der Regierung von Oberbayern – was dazu beitrug, dass sich der Rathauschef fortan öffentlich als erbitterter Naturschutzgegner positionierte.
Bereits 2019 verhängte er ein Betretungsverbot, das jedoch immer wieder ignoriert wurde. Unbekannte Täter beseitigten sogar die Schilder und damit die Warnung für ortsfremde Wanderer; Grünbauer verstieg sich zur unrealistischen Behauptung, die Schlucht werde jährlich von 40 000 Besuchern heimgesucht.
Doch auch sein Amtsnachfolger Sörgel weiß, dass das Betretungsverbot noch immer gelegentlich missachtet wird – obwohl gerade nach den Regenfällen zu Monatsbeginn das Gelände aufgeweicht ist. Er verweist auf ein Gutachten zur Verkehrssicherheit, das im April im Gemeinderat vorgestellt wurde. Demnach übersteige das Gefahrenpotenzial der Schlucht das sogenannte alpine Restrisiko deutlich: Das Ingenieurbüro machte in den geschichteten, zerklüfteten Steilwänden 350 besorgniserregende Blöcke aus.
Die Sicherungskosten könnten sich leicht auf einen Millionenbetrag summieren.
Um den zunehmenden Haftungsansprüchen zu begegnen, müsste die Gemeinde die Risikoüberwachung fortsetzen, im Sommer einen Ranger abstellen und neuralgische Stellen mit Schutznetzen sichern. Die Kosten dafür summierten sich auf einen sieben- bis achtstelligen Betrag. Das könne Pähl aber nicht leisten, sagt Bürgermeister Sörgel: „Zudem bliebe bei so großen Baumaßnahmen von der landschaftlichen Schönheit nicht viel übrig.“
Nun seien die Verwaltungen mit den umfangreichen Arbeiten befasst, die Entwidmung voranzutreiben. Sörgel rechnet damit, dass der Gemeinderat erst zum Jahresende abschließend darüber entscheidet. Theoretisch ist zwar denkbar, dass die Grundbesitzer die Betretung der Schlucht gestatten oder andere die Wege herrichten. Sörgel ist aber nach Gesprächen mit der Eigentümerfamilie sicher, dass daran kein Interesse besteht.