Eddi freut sich über den Besuch: Der Großeselwallach stupst mit der Stirn gegen die Brust des Zweibeiners und lässt sich hinter den langen Ohren kraulen. Mit 20 Jahren ist er die graue Eminenz auf der Asinella-Eselsfarm. Auf drei Hektar Weide können sich die elf Grautiere frei bewegen, aber die Schafherde ist oberhalb der Häuschen und Schuppen eingepfercht. Das Idyll auf dem kleinen Hof nördlich von Pähl scheint ungetrübt zu sein. Doch nach wie vor hängt das Damoklesschwert über dem Lebenswerk von Anahid Klotz und ihrem Mann Gerhard Gregori: Die Baubehörde im Landratsamt Weilheim-Schongau sieht den 75 Jahre alten Hof als Schwarzbau an und hat im März die Beseitigung angeordnet. An diesem Mittwoch entscheidet der Petitionsausschuss des Landtags über die Zukunft der Farm und ihrer Tiere, die vor allem zur Therapie behinderter oder traumatisierter Menschen, in pädagogischen Projekten oder zur aktiven Freizeitgestaltung in der Natur eingesetzt werden.
Berichterstatterin im Ausschuss ist die Gautinger Abgeordnete Anne Franke (Grüne), die sich am Montag persönlich auf dem Hof informierte. Obwohl die Behörden den Betreibern zugesichert hatten, bis zur Entscheidung über die Petition alle Verwaltungsverfahren zu stoppen, erließ das Landratsamt noch Ende Oktober eine Nutzungsuntersagung für Wohnhaus, Mistlege und Toiletten. "Dieses Brechen des Stillhalteabkommens finde ich schon empörend", sagt Franke. Seitdem benutzen Klotz, Gregori und ihre Besucher notfalls eine Campingtoilette. "Bislang wähnten wir unsere Vierkammer-Pflanzenkläranlage, die Dreikammer-Klärgrube und die Mistlege stets in bester Verfassung", sagt Klotz.
Ihr Betrieb könnte eigentlich als Musterbeispiel einer diversifizierten Landwirtschaft gelten. Seit ihr Schwiegervater Anfang der Achtzigerjahre das allein stehende Anwesen oberhalb des Ammersees gekauft hatte, wurden dort Schafe, Kühe, Pferde, Hühner und Bienen im Nebenerwerb gehalten. 2005 begann Klotz, Veranstaltungen mit ihren Eseln anzubieten, und meldete "Asinella" aus steuerlichen Gründen als Gewerbe an. Dennoch hatte sie keine Zweifel, dass der kleine Hof weiter der Landwirtschaft dient: Dort baut sie das Futter für die Tiere an, veranstaltet Sensenmähkurse und - wenn es die Pandemie zulässt - Kindergeburtstagfeste oder Horsemanship-Kurse. Im Grundbuch wird das Anwesen seit 1956 als "Wohnhaus mit Hofraum und Wiese" geführt.
Selbst das Amt für Landwirtschaft Weilheim hatte im Gutachten für das Landratsamt eindeutig erkannt, bei der Eselfarm "handelt es sich um Landwirtschaft im Sinne von § 201 Baugesetzbuch." Die rein landwirtschaftlichen Betriebszweige leisteten durch den Verkauf von Heuballen, Produkten aus Schäferei und Imkerei "einen spürbaren Beitrag zum Familieneinkommen". Seit vielen Jahren erhält Klotz Direktzahlungen aus der EU-Agrarförderung für die Bewirtschaftung von Grünland.
Doch Rainer Schömig, Abteilungsleiter für Bauen am Weilheimer Amt, hält dieses Gutachten für fehlerhaft; ihm fehlt der Bezug zur "Urproduktion". Der wäre zwar gewährleistet, wenn Klotz ihre Esel schlachten, melken oder die Fohlen verkaufen würde, doch nicht wenn die Tiere als Dienstleister eingesetzt sind - deshalb sei die Farm eine im Außenbereich verbotene Gewerbenutzung.
Dass eine Baubehörde dem von ihr angeforderten Gutachten widerspricht, sieht nicht nur Franke als "sehr merkwürdigen Vorgang an". Bis zur Sitzung des Petitionsausschusses will sie dazu noch Landrätin Andrea Jochner-Weiß befragen.
Seit vielen Jahren haben sich die Pähler Esel als Kindertröster und Altenbetreuer zwischen Percha und Dießen bewährt. Der Behördenstreit erregte weit über Fünfseenland und Pfaffenwinkel hinaus Aufsehen, unter anderem berichteten mehrere Fernsehteams über Asinella. Eine Online-Eingabe für die baurechtliche Privilegierung fand 7263 Unterstützer. Wenn über die Petition am Mittwochvormittag im Landtag beraten wird, kann die Debatte im Internet auf www.youtube.com/user/BayernLandtag live verfolgt werden.
Inzwischen hat Klotz auch von den Behörden bestätigt bekommen, wer die Anzeige gegen Asinella erstattete: "Mit E-Mail vom 30.10.2019 wurden wir durch den Ersten Bürgermeister der Gemeinde Pähl, Herrn Grünbauer, zur Überprüfung der baulichen Anlagen auf den Grundstücken aufgefordert", heißt es in einem Schreiben.