Interview:"Wir könnten locker noch zehn Vollzeit-Stellen füllen"

Interview: Juniorchef Julian Kasprowicz in seinem Produktionsbetrieb in Pähl.

Juniorchef Julian Kasprowicz in seinem Produktionsbetrieb in Pähl.

(Foto: Georgine Treybal)

Personalmangel, gestiegene Rohstoffpreise und explodierende Energiekosten: Die Pähler Bäckerei Kasprowicz hat mit vielen Problemen gleichzeitig zu kämpfen.

Die Bäckerei Kasprowicz beliefert 21 Ladengeschäfte im Fünfseenland und Pfaffenwinkel. 2020 ist das ursprünglich aus Inning stammende Familienunternehmen nach Pähl umgezogen. Etwa 13,5 Millionen Euro wurden in eine hochmoderne Produktionsstätte investiert, um ein moderates Umsatzwachstum zu ermöglichen. Dann zwang ein Corona-Ausbruch zu einer zweiwöchigen Betriebspause, pandemiebedingt konnte das Brotcafé im Haus erst mit einjähriger Verspätung in diesem Frühjahr eröffnet werden. Nun aber sucht man händeringend nach Verkaufspersonal. Die SZ befragte Juniorchef Julian Kasprowicz (33), wie sich der Mitarbeitermangel und die stark angestiegenen Rohstoffpreise und Energiekosten auf seinen Betrieb auswirken.

SZ: Sie haben wegen fehlender Verkäuferinnen bei einigen ihrer Filialen die Öffnungszeiten verkürzt. Welche sind konkret betroffen?

Julian Kasprowicz: Dauerhaft ist wegen des Personalmangels nur eine Filiale in Utting seit dem Sommer nachmittags zu. Allerdings müssen wir derzeit immer wieder punktuell einzelne Filialen wie die in Starnberg oder Söcking am Nachmittag schließen - wenn etwa einzelne Mitarbeiter erkranken oder aus anderen Gründen kurzzeitig ausfallen.

Sehen Sie keine Möglichkeit, diese vorübergehenden Lücken zu schließen?

Natürlich versuchen wir zuerst, Kräfte aus den Nachbarorten heranzuziehen. Aber die Personaldecke ist leider insgesamt so dünn, dass wir uns mit dem Nachbesetzen schwer tun.

Betrifft der Mitarbeitermangel nur die Verkaufsstellen oder auch die Produktion in der Pähler Bäckerei?

Nein, da sind wir momentan gut aufgestellt. Wir könnten sogar mehr produzieren als jetzt, wenn wir nur genügend Verkaufspersonal für unsere Brot- und Backwaren hätten.

Wie viele zusätzliche Mitarbeiter bräuchten Sie denn im Vertrieb?

Wir könnten in den Filialen locker bis zu zehn weitere Vollzeit-Stellen füllen. Immerhin haben wir in den letzten Wochen wieder ein paar Bewerbungen hereinbekommen.

Worin sehen Sie die Gründe, dass es gerade so schwierig ist, Personal aufzutreiben?

Das ist eine Summe aus vielen Faktoren. Grundsätzlich glaube ich, dass sich bei immer mehr jungen Menschen die Beziehung und Einstellung zum Beruf ändert. Freizeit und Familie nehmen in der Lebensplanung einen höheren Stellenwert ein, die Leistungsbereitschaft lässt entsprechend nach, was sich viele scheinbar auch leisten können. Vor allem aber trifft uns der Arbeitsmarkt hart: Wir stehen da in Konkurrenz mit anderen Branchen, die nach der Pandemie dringend Bewerber suchen, wie etwa Gastronomie oder Kinderbetreuung.

Interview: Im Brotcafé in der Pähler Bäckerei unterstützen Martina Kiefer und Simon Canalonga (Mitte) den Geschäftsführer des Familienbetriebs im Verkauf.

Im Brotcafé in der Pähler Bäckerei unterstützen Martina Kiefer und Simon Canalonga (Mitte) den Geschäftsführer des Familienbetriebs im Verkauf.

(Foto: Georgine Treybal)

Wo sehen Sie die Vor- und Nachteile Ihres Betriebs auf dem Stellenmarkt?

Negativ wirkt sich aus, dass unsere Mitarbeiter meist um vier oder fünf Uhr aufstehen müssen und es völlig normal ist, auch am Wochenende zu arbeiten. Aber wir versuchen, flexibel auf ihre Bedürfnisse einzugehen und sie beim Erstellen der Schichtpläne einzubeziehen.

Und wie sieht es bei der Bezahlung aus?

Was das Gehalt betrifft, können wir gut mit dem Lebensmitteleinzelhandel mithalten; wir haben die Bezüge heuer auch um durchschnittlich etwa zehn Prozent angehoben. Allerdings bleibt uns für weitere Lohnerhöhungen überhaupt kein Spielraum mehr. Die Devise lautet jetzt, durch diese schwierige Zeit zu kommen, ohne rote Zahlen zu schreiben, obwohl unsere Ausgaben stark gestiegen sind.

Gerade Bäckereien klagen derzeit über extrem gestiegene Strom- und Heizkosten. Sie und Ihr Vater haben beim Neubau ein nachhaltiges Energiekonzept mit Photovoltaikanlage und Nutzung der Abwärme zum Heizen realisiert, müssen aber dennoch zusätzlich Öko-Strom und -Gas beziehen. Wie wirken sich die hohen Preise auf Ihre Kalkulation aus?

Nicht ganz so dramatisch, dennoch ist der Anteil der Energiekosten seit Anfang des Jahres von fünf auf knapp neun Prozent angestiegen. In der gleichen Zeit nahmen die Personalkosten um elf Prozent zu, vor allem aber hat sich das Material im Schnitt um rund 30 Prozent verteuert. Für das nächste Jahr kann ich da noch keine richtige Entspannung sehen. Selbst wenn die Energiepreise stabil blieben, werden die Rohstoffe zumindest im ersten Halbjahr noch weiter steigen.

Haben Sie die Preise entsprechend angepasst?

Ja, aber nicht in vollem Umfang. Seit Anfang dieses Jahres haben wir die Verkaufspreise zweimal angehoben, um insgesamt zehn Prozent. Das ist aber nicht ausreichend, um dauerhaft die Mehrkosten zu decken.

Wie haben Ihre Kunden darauf reagiert?

Das Schöne ist, dass sie uns die Treue halten und nach wie vor bei uns einkaufen. Trotz der Preissteigerungen sind die Kundenzahlen konstant geblieben; allerdings ist der Durchschnittskonsum nun etwas geringer. Das bestärkt uns in der Absicht, dass wir hier den Bogen nicht überspannen wollen.

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