„Seit 20 Jahren gehöre ich dem Ei“, sagt Mariele Berngeher. Ihr Stand auf dem Ostereiermarkt im Andechser Florianstadel ist prall gefüllt mit kunstvoll bemalten Eiern. Da sieht man den Olympiaturm, tanzende Schäffler, Märchenmotive und freche Alltagsszenen. Besonders stolz ist die Künstlerin auf ihre „Bandl-Eier“. „Die Idee dazu kam mir durch Gebetsmühlen“, erklärt sie. Sie nimmt ein mit Motiven vom Münchner Viktualienmarkt bemaltes Ei. An der Seite hat sie einen Schlitz in die Schale geschnitten, aus dem zieht sie ein bemaltes Seidenband mit weiteren Marktstand-Motiven.
Früher hat die Olchingerin bemalte Ostereier belächelt. Dann schenkte ihr eine Freundin ein Schwanenei. „Beim Bemalen habe ich gemerkt, dass die Rundung der Eierschale eine ganz neue Dimensionalität schafft“, sagt sie. Seitdem sei sie den kunstvoll gestalteten Kalkschalen verfallen. So wie die meisten der etwa 50 Aussteller beim 31. Andechser Markt auch.
„Die Künstler habe ich auf Reisen durch Deutschland und in den benachbarten Ländern gefunden“, sagt die Veranstalterin Gertrude Weiss. Aus Siegenburg stammt etwa Stefan Linner. Er setzt Miniatur-Szenen aus Papier auf die empfindlichen Schalen. Manche Eier schneidet er auch auf und platziert die Papierszene im Inneren. Papier und Eierschalen verschmelzen so harmonisch, dass man die Materialien kaum unterscheiden kann.
Ein paar Schritte weiter zeigt Hans-Jürgen Preuss aus Mering seine Werke. Mit einem Zahnarztbohrer hat er Muster in Enten- und Gänseeier geschnitten. Manche sind mit kleinen Löchern übersät, andere bestehen nur noch aus einem kunstvoll verschlungenen Gerüst. Fünf bis zehn Stunden arbeitet er an einem solchen Ei. Die Besucher staunen, viele wären schon froh, zu Hause überhaupt ein Loch ins Ei zu bekommen, ohne es zu zerbrechen.



Ihr Rezept für perfekt ausgeblasene Ostereier verrät Mariele Berngeher. Zum Ausblasen bohrt man mit einem elektrischen Handbohrer ein einzelnes kleines Loch in die Unterseite. Mit einer Spritze bläst sie anschließend Luft hinein, damit Dotter und Eiweiß herausfließen. „Die Prozedur wiederhole ich ein paarmal, bis das Ei leer ist“. Anschließend spritzt sie Wasser in die leere Schale, um sie gründlich zu reinigen. Nachdem das Ei bemalt ist, bekommt es eine Schutzschicht aus Sprühlack. Zum Aufhängen bohrt sie ein weiteres Loch oben ins Ei, zieht ein Bändchen mit einer langen Einfädelnadel durch und fixiert es unten mit einem Knoten.
Zum Bemalen eignen sich übrigens nicht nur Hühnereier. Alois Lehnert aus Ingolstadt hat einen Tisch voller unterschiedlicher Eier nach Andechs mitgebracht: Große Eierschalen, die nach dem Schlüpfen der Straußen-Küken übrig bleiben, farbenfrohe Eier von Rassehühnern, die von Grün über Türkis bis Mahagonibraun schimmern, winzige Wellensittich-Eier, gesprenkelte Wachteleier: Die Auswahl ist groß. Lehnert bezieht die Eier von Hobbyzüchtern, die unbefruchtete Exemplare nach dem Durchleuchten, dem sogenannten Schieren, aussortieren.
Gertrude Weiss öffnet vorsichtig eine Holzschachtel mit ihrer privaten Sammlung künstlerischer Eier. Darunter ein kreisrundes Pinguinei, ein längliches Gänseei, ein mit einer Königsnatter bemaltes Schlangenei und ein stecknadelgroßes Schneckenei. Als Basteltipp zeigt sie auf den Osterstrauß mit den an Tiffanytechnik erinnernden Eiern. „Dafür muss man zuerst einen Seidenstoff bunt bemalen“, erklärt Weiss. Dann schneidet man kleine Fetzen aus, die man collagenartig auf ein Ei klebt. Die Übergänge markiert man mit einem schwarzen Silikonkonturenstift.

Aus Mindelheim ist die Floristin Christel Lidel angereist. „Wenn die Osterzeit naht, juckt es mir schon in den Fingern“, gesteht die Rentnerin. Seit mehr als 40 Jahren fertigt die Rentnerin österliche Türkränze, Nester und Gestecke aus Naturmaterialien an. Wie das geht, zeigt sie in Kursen. Mit Kindern bastelt sie oft im Wald, Material gibt es dort in Hülle und Fülle. Für eine einfache Osterdekoration formt Lidel eine Handvoll Moos mit Blumendraht zu einer Kugel. Birkenreisig wird zu Ohren gebunden und auf den Hasenkopf aufgesetzt. Bast dient als Schnurrhaare, ein Stoffbällchen als Nase klebt sie mit der Heißklebepistole auf, dann mit Federn, Buchszweigen oder Blüten verzieren – fertig.
Die Springerle von Katharina Ratzinger aus Pullach sind dekorativ - und essbar. Seit dem Mittelalter verschenkt man das Bildgebäck zu festlichen Anlässen wie Ostern und Weihnachten, erklärt Ratzinger. Ihre Familie sammelt seit vier Generationen die Holzmodeln, mit denen die Motive geprägt werden. „Den Teig nennt man auch Eiermarzipan, weil sich früher nicht jeder Mandeln für echtes Marzipan leisten konnte“, erklärt Ratzinger.

Ihre älteste Form stammt aus dem Jahr 1739 und wird noch immer genutzt. Katharina Ratzinger hat damit Kekse mit Blumenmustern, Osterlamm- und Hasenmotiven für die Osterfesttafel, zum Aufhängen in Forsythienzweigen oder für den Türkranz gebacken. Damit die Springerle nicht hart werden, empfiehlt sie, sie im Gemüsefach des Kühlschranks oder auf dem Balkon zu lagern. „Am besten isst man sie aber frisch“, sagt Ratzinger. Sind sie doch zu hart, tunkt man sie in Kaffee – oder, ein Tipp der Bäckerin – in Rotwein.
Das Springerle-Rezept
Zutaten: Zwei Eier 250 Gramm Puderzucker, 250 Gramm Mehl, etwas Backpulver oder Hirschhornsalz, Anissamen zum Bestreuen des Blechs, Holzmodeln mit österlichen Motiven. Zubereitung: Die Eier mit dem Zucker schaumig rühren. Mehl und Backpulver oder Hirschhornsalz mischen und unter die Eiermasse heben, bis ein weicher Teig entsteht. Mindestens zwei Stunden lang ruhen lassen. Den Teig dünn ausrollen. Holzmodeln gut mit Mehl bestäuben und ein Stück Teig vorsichtig hineindrücken. Teig aus der Form lösen und die Kanten zuschneiden; mit einem Teigroller werden sie wellig. Die geprägten Teigstücke auf ein mit Anissamen bestreutes Blech legen. Nach ein bis zwei Tagen Ruhezeit werden sie bei 180 Grad (Unterhitze) im Herd gebacken. Ein schönes Springerle zeichnet sich durch ein weißes Relief und hellbraune „Füßchen“ aus, wie die Unterseite des Gebäcks genannt wird.