Süddeutsche Zeitung

Ortsgestaltung:Seefelder suchen den Konsens

Fachleute und Kommunalpolitiker aber auch die Vertreter verschiedener Interessengruppen sind beteiligt, wenn es darum geht, die Gemeinde systematisch weiterzuentwickeln

Von Sabine Bader, Seefeld

Die Seefelder haben es satt, an ihrem Ort herumzudoktern. Jahrzehnte war die Politik der Gemeinde geprägt von Einzelentscheidungen, je nach Bedarf und Bauwunsch. Jetzt will man den Blick erstmals aufs große Ganze richten und gemeinsam mit dem Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München und der Onlinefachfirma Politaktiv ein Integriertes Ortsentwicklungskonzept ausarbeiten. Das Zauberwort bei diesem Prozess heißt "Konsens" - sowohl im Gemeinderat, als auch in der Bürgerschaft. Auch wenn allen Beteiligten bewusst ist, dass bei diesem langwierigen Prozess nicht in allen Fragen ein Kompromiss gefunden werden kann, so will man doch möglichst viele Argumente hören, bewerten und berücksichtigen. Fachleute, Gemeinderäte und Bürger sollen stets einen Dialog miteinander führen. Dabei soll der Gemeinde auch eine Online-Plattform helfen.

Ortsentwicklungskonzept

Dass sie viel Erfahrung im Umgang mit Gemeinderäten und Bürgern haben, merkt man den drei Referenten, die am Dienstagabend an der Sitzung des Seefelder Gemeinderats teilnehmen, schnell an. Oliver Prells und Susanne Bauer vom Planungsverband und Anni Schlumberger von Politaktiv, einer Internet-Plattform für Bürgerbeteiligung, präsentierten ihre Vorstellung des Prozesses. Dass sich eine Gemeinde dazu entschließe, ein Jahr vor der Kommunalwahl "so etwas Großes anzupacken", ist laut Bauer "ein wenig ungewöhnlich", könne aber auch gut gelingen. Darum ist geplant, den Prozess Ende des Jahres zu unterbrechen. "Dann ist die Zeit reif für den Kommunalwahlkampf", sagte Bauer. Denn die Parteien müssten sich in dieser Phase stärker von einander abgrenzen. Danach gehe es dann in die eigentlichen planerischen Überlegungen.

Gestartet wird mit einer Bestandsaufnahme. Gerade dabei sei der Dialog sehr wichtig. Alle Beteiligten unter einen Hut bringen soll ein Lenkungskreis, der sich aus dem Planungsteam, der Gemeindeverwaltung, den politischen Fraktionen und den unterschiedlichen Interessengruppen der Bürger zusammensetzt. Wichtig sei dabei, dass dieser Lenkungskreis nicht zu groß werde. Angedacht seien um die 20 Mitglieder. Vertreten sein sollen Senioren und Jugendliche, Gewerbetreibende, Nachbarschaftshilfen, Agendagruppen, Naturschützer, Vereine und Kirchen sowie je ein Mitglied aller sechs Gemeinderatsfraktionen. Jeder Teilnehmer müsse sich allerdings dazu verpflichten, kontinuierlich mitzuarbeiten, hieß es. Wer jetzt glaubt, der Lenkungskreis entscheidet schon über Projekte, der irrt. Die Mitglieder "begleiten die Interessengruppen und vermitteln", sagte Prells. Sie organisieren Sitzungen, Veranstaltungen, Bürgerrunden, geben den Fahrplan vor und formulieren Empfehlungen an den Gemeinderat.

Damit möglichst bald gestartet werden kann, haben die drei Organisatoren den Parteien am Ratstisch aufgegeben, aus ihren Reihen je ein Mitglied und einen Stellvertreter für den Lenkungskreis zu benennen. Die konstituierende Sitzung soll am Donnerstag, 9. Mai, stattfinden. Die Auftaktveranstaltung, bei der die Bürger erfahren, wie sie sich engagieren können, soll im Sommer sein. Dann wird auch die Online-Plattform erklärt. Mit ihr will man vor allem die jüngeren Leute zum Mitmachen beim Prozess bewegen. Wer nicht computeraffin ist, kann sich mit Briefen oder Postkarten beteiligen. Mit ein Thema im Ortsentwicklungskonzept wird auch der zunehmende Verkehr in Seefeld sein, zum Beispiel auf der Hauptstraße und der Mühlbachstraße.

Hauptstraße

Eine gemütliche Flaniermeile ist die Seefelder Hauptstraße beileibe nicht. Im Gegenteil: Dort herrscht geschäftiges Treiben. Fußgänger, Radler, Autofahrer, Busse quetschen sich aneinander vorbei. Und dann sind da noch die Kunden und Anlieger, die ihre Autos am Straßenrand abstellen. Die Gemeinde weiß das und will jetzt die Parksituation und damit auch den Verkehrsfluss auf der Straße verbessern. Entstanden ist das Verkehrskonzept in Zusammenarbeit mit der Agenda Verkehr und der Polizeiinspektion Herrsching. Der Grundgedanke ist, eine Fahrbahnseite durch Halteverbote von geparkten Fahrzeugen freizuhalten. So hofft man auch, das Busfahren attraktiver zu machen.

Schneller gefahren werden soll auf der Hauptstraße aber nicht. Das wäre zu gefährlich. Darum soll die freie Fahrbahn auf ihrer gesamten Länge vier Mal die Seite wechseln. Die ausgewiesenen Parkbuchten vor dem Krankenhaus, dem Schreibwarenladen und an der Kirchenstraße sollen dabei erhalten bleiben. Vor den Geschäften sind Kurzzeitparkplätze mit einer Beschränkung auf zwei Stunden geplant. Die halbjährliche Testphase soll noch im April starten.

Mühlbachstraße

Die Anlieger der Seefelder Mühlbachstraße sind Kummer gewohnt: Große Sattelschlepper donnern über die Fahrbahn, in den Wohnungen scheppern die Gläser. Ganz zu schweigen von den Gefahren für Passanten und Schulkinder. "Mehrfach sind mir auch schon die Mülltonnen von Lastern kaputt gefahren worden", klagte eine Anwohnerin im Gemeinderat. Etliche der 40-Tonner kommen wohl von einer Großbaustelle im Bereich Herrsching und fahren auf dem kürzesten Weg zur Kiesgrube nach Unterbrunn. Ähnlich drastisch schildern Anwohner der Uneringer Straße ihre Situation. 20 Jahre lang hatte in der Mühlbachstraße eine Tempo-30-Regelung gegolten. Die Gemeinde hatte die Schilder entfernt, weil sie sich mit ihnen rechtlich offenbar in einer Grauzone bewegt. Jetzt will sie das Tempolimit trotzdem wieder einführen und obendrein eine Tonnagenbeschränkung auf zwölf Tonnen auf beiden Straßen erlassen.

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Quelle:
SZ vom 11.04.2019
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