Süddeutsche Zeitung

Online:Kreistag prüft Übertragung im Internet

Befragung soll zeigen, wie viele Politiker mit Auftritten im Livestream einverstanden sind

Von Carolin Fries, Starnberg

Mal angenommen, Kreisrat Peter Unger (Grüne) würde seinem Kollegen Bernhard Sontheim (Freie Wähler) einen kleinen Streich spielen wollen. "Ich nehme ein Foto von Dir, schreibe dazu ,Bernhard Sontheim ist der Größte' und stelle es ins Netz." Niemand könne ihn davon abhalten, "das ist alles jetzt schon möglich", so Unger. Er versuchte mit diesem Beispiel, dem Feldafinger Bürgermeister die Angst vor Verunglimpfungen im Internet zu nehmen, sollte sich der Starnberger Kreistag für eine Übertragung der Sitzungen per Livestream entscheiden. Unger hatte den Antrag im Kreistag gestellt, Sontheim ist strikt dagegen.

Der Bürgermeister aus Feldafing befürchtet, dass Redebeiträge dann aus dem Zusammenhang gerissen und verbreitet werden könnten, "das kann dann in Richtung Shitstorm gehen", sagte er in der Sitzung am Montag. Er beantragte, den Antrag abzulehnen, scheiterte damit aber knapp. Unterstützung bekam er von der CSU-Landtagsabgeordneten Ute Eiling-Hütig (CSU). Anders als die Sitzungen aus Starnberg werden die Plenarsitzungen aus dem Maximilianeum bereits im Internet übertragen. "Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass genau das passiert." Wortbeiträge würden beliebig zerpflückt. Sie fürchte, dass die Sitzungen zu einer "Showveranstaltung" würden, "mit normalem Arbeiten hat das nichts mehr zu tun".

Für Peter Unger indes ist die "Nachvollziehbarkeit politischer Entscheidungen" ein hohes Ziel. Zudem gebe es viele Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen keine Möglichkeit hätten, zu den öffentlichen Sitzungen zu kommen. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) unterstützte den Antrag: "Auch der Kreistag ist im digitalen Zeitalter angekommen." Andrea Schulte-Krauss (Grüne) erhofft sich von einer Live-Übertragung eine Qualitätssteigerung der Sitzungen. "Dann wird vielleicht vorher besser überlegt, was man sagt." Und Fraktionskollegin Martina Neubauer warb: "Lassen Sie es uns doch ausprobieren."

Selbstverständlich gelte es, den Datenschutz einzuhalten, betonte Unger. Wer einverstanden sei, dass Bild- und Tonaufnahmen von ihm ins Internet übertragen werden, müsse eine Einwilligungserklärung unterzeichnen. Um herauszufinden, wie viele Kreisräte das überhaupt sind, schlug Landrat Stefan Frey (CSU) eine Umfrage vor. Sollte sich nämlich herausstellen, dass es sich dabei lediglich um 20 Prozent der Mandatsträger handele, müsse man abwägen, ob eine Übertragung einen Mehrwert für den Bürger habe. Dann wäre im Livestream überwiegend eine tonlose, schwarze Fläche zu sehen, die nur hin und wieder von Redebeiträgen Einzelner unterbrochen würde, wie Frey skizzierte. Die Umfrageergebnisse sollen erneut im Kreistag diskutiert werden.

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SZ vom 30.07.2020
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