Für Sportbegeisterte sind am vergangenen Sonntag zwei atemberaubende Olympia-Wochen mit einer opulenten Show in Paris zu Ende gegangen. Nie zuvor hat es so viele faszinierende Bilder im Fernsehen, im Internet und in Zeitungen von den Wettkämpfen gegeben wie bei den Sommerspielen der XXXIII. Olympiade. Auch diesmal waren Athleten aus dem Fünfseenland unter den weltbesten Sportlern, einer errang sogar eine Silbermedaille – mit leicht bitterem Beigeschmack: Clemens Wickler aus Starnberg verlor das Endspiel im Beachvolleyball mit Partner Nils Ehlers deutlich in zwei Sätzen. Leer gingen Sportschütze Maximilian Ulbrich (Plätze 4; 14; 17), Surferin Theresa Steinlein (6.) und die 49er-Segler Jakob Meggendorfer und Andreas Spranger (11.) vom Bayerischen Yacht-Club aus.
Freilich ist Wickler nicht der erste Athlet aus heimischen Gefilden, der olympisches Edelmetall mit nach Hause bringt: In der Ewigenliste der Olympischen Spiele seit 1896 gab es schon diverse Medaillengewinner mit Bezug zum Fünfseenland: Athleten, die hier geboren wurden, lebten oder auch starben.
Wesentlich länger ist die Liste heimischer Olympia-Teilnehmer, die ohne Medaille heimkehrten: Der Gautinger Journalist Dietrich Mauersberg spürt diesen Athleten schon seit Jahrzehnten nach. Doch wirklich sicher ist er nicht, ob er tatsächlich alle beisammen hat. Immerhin – es sind mehr als angenommen. Hier eine Auswahl heimischer Olympiasieger und -teilnehmer – ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Medaillengewinner 1908 bis 1936
Die erste Goldmedaille, die dem heutigen Landkreis Starnberg zugeordnet werden kann, erobert eine Frau: Anna („Annie“) Hübler (1885-1976) aus Gauting wird die erste deutsche Olympiasiegerin überhaupt. Sie gewinnt am 29. Oktober 1908 in London mit Heinrich Burger den erstmals als olympische Konkurrenz ausgetragenen Eiskunstlauf für Paare. 1908 und 1910 werden beide auch Weltmeister. 1918 heiratet sie den Münchner Kaufhausbesitzer Ernst Horn und wirkt an der Leitung des Kaufhauses am Stachus mit. Die Bundespost widmete ihr 1996 eine Sonderbriefmarke.
Mit der Mannschaft erobert Dressurreiter Eugen Freiherr von Lotzbeck (1882-1942) aus Berg-Assenhausen am Starnberger See 1928 in Amsterdam auf „Caracalla“ die Goldmedaille. Der Gautinger Ernst Krebs (1906-1970), Bergsteiger, Skilangläufer und Kanute, gewinnt 1936 in Berlin im Einer-Kajak Gold über 10 000 Meter. Krebs ist der erste Kanu-Olympiasieger in einer Einzeldisziplin. Der Spenglermeister – das Geschäft existiert heute noch – stirbt bei einem Arbeitsunfall, als er beim Befestigen einer Dachrinne vom örtlichen Polizeigebäude stürzt.
Der gebürtige Österreicher und spätere Reichsdeutsche Gustav („Guzzi“) Lantschner (1911-2011) gewinnt bei den Winterspielen 1936 in Garmisch-Partenkirchen Silber in der Skikombination Abfahrt und Slalom. Lantschner ist in den 1930er-Jahren ein Star, macht sich insbesondere aber als Regisseur, Kameramann und Filmschauspieler einen Namen.
An der Seite von Leni Riefenstahl spielt er unter anderem in „Der weiße Rausch“ (1931), ist Regieassistent beim NS-Propagandafilm „Triumph des Willens“ (1934) und wirkt als Kameramann an verschiedenen Riefenstahl-Produktionen mit. Bereits 1931 war er der NSDAP beigetreten. Er ist Mitglied der SS und arbeitet zudem als Kriegsberichterstatter der „Deutschen Wochenschau“. Nach sieben Jahren in Argentinien kehrt er zu Beginn der 1960er-Jahre nach Europa zurück und stirbt im Alter von 100 Jahren nach einem bewegten Leben in Krailling.
Ein Schwergewichtler im wahrsten Sinne des Wortes ist Josef („Sepp“) Manger (1913-1991). Der in Bamberg aufgewachsene Gewichtheber wechselt schon bald nach Freising und wird 1936 Olympiasieger mit 410 Kilogramm im Dreikampf. Manger stellt von 1935 bis 1941 insgesamt 20 Weltrekorde im Drücken, Reißen und olympischen Dreikampf (Bestmarke: 437,5 Kilogramm) auf und gilt international als „Top Lifter of the 20th Century“. Später absolviert er eine Ausbildung zum Finanzbeamten und wird selbständiger Kaufmann. Die letzten Jahre lebt er in Starnberg, erscheint nach dem Krieg aber kaum noch bei Gewichtheber-Veranstaltungen. Manger stirbt mit 77 Jahren, er ruht auf dem Waldfriedhof Starnberg.
Medaillengewinner 1952 bis 2021
Von den Sommerspielen in Rom bringt die 1940 in Großinzemoos geborene Leichtathletin Anni Biechl (später: Capeller) 1960 eine Medaille mit: Die Kraillingerin startet als zweite Läuferin der gesamtdeutschen 4x100-Meter-Staffel zusammen mit Martha Langbein, Brunhilde Hendrix und Jutta Heine in 44,8 Sekunden. Nach ihrer aktiven Karriere trainiert sie von 1978 bis 1996 die Leichtathleten des TSV Gräfelfing.
Im kanadischen Montreal feiert 1976 das Damen-Rudern Premiere. Die Tutzingerin Edith Eckbauer und Thea Einöder, die seinerzeit in Maising wohnt, gelten als haushohe Favoriten im Zweier ohne Steuerfrau. Vielleicht hätte es für Gold gereicht, doch mit einer Bootslänge in Führung liegend, fängt Eckbauer „einen Krebs“: In einer Spitzwelle taucht ihr Ruderblatt zu tief ein, fast kentert das Boot. Am Ende wird es Bronze hinter Bulgarien und der DDR. Zu Hause werden sie dennoch frenetisch gefeiert.
Besser läuft es 1984 in Los Angeles für Ruderer Michael Dürsch, geboren 1957 in Herrsching: Der Sohn eines Sägewerkmeisters und einer Lehrerin rudert für den RV Ingelheim und erobert im Doppelvierer als Schlagmann auf dem Lake Casitas in Kalifornien Gold. Zweimal ist Hockeyspielerin Christine Ferneck aus Gauting bei Olympia dabei: 1988 in Seoul wird das deutsche Team Fünfter, in Barcelona 1992 gewinnen die Spanierinnen das Endspiel 2:1; es bleibt die Silbermedaille.
Seit einem Skiunfall ist die gebürtige Österreicherin Petra Sax-Scharl aus Starnberg auf den Rollstuhl angewiesen. Sie nimmt 2000 an den Paralympischen Spielen in Sydney als Tennisspielerin teil: Im Einzel scheidet sie in der ersten Runde aus, doch im Doppel erkämpft sie sich mit Christine Otterbach die Bronzemedaille. Bei seiner ersten Olympiateilnahme 2000 wird Hockeyspieler Björn Michel aus Bernried Fünfter. Schon sein Vater Dirk Michel war 1968 in Mexiko-Stadt Olympiateilnehmer (4.). Zum Abschluss seiner Karriere gewinnt Michel junior 2004 die Bronzemedaille, das entscheidende Tor zum 4:3 gegen Spanien schießt er selbst. Ebenfalls im Bronze-Team: der gebürtige Starnberger Justus Scharowsky.
Dabei sein ist alles
Florettfechterin Erna Sondheim (1904-2008), geboren in Gauting, wird 1928 in Amsterdam Vierte. Von den insgesamt sieben Wettbewerben ist nur einer für die Damen vorgesehen. Ein besonderes Schicksal ereilt die spätere Siegerin Helene Mayer, die als Jüdin 1936 für Deutschland antritt. Hockeyspieler Hans-Jürgen Dollheiser (1928-1995) aus Duisburg verbringt seinen Lebensabend in Starnberg: 1952 in Helsinki unterliegt das deutsche Team im Viertelfinale dem späteren Olympiazweiten Niederlande.
In Starnberg geboren ist Leichtathletin Mona Steigauf: Die Mehrkämpferin vom USC Mainz landet 1996 in Atlanta im Siebenkampf auf Rang elf. Der Starnberger Ruderer Markus Vogt, Bruder von Miriam Vogt (1993 Ski-Kombinationsweltmeisterin), wird 1992 in Barcelona Vierter im Vierer ohne Steuermann; zur Bronzemedaille fehlen nur 15 Hundertstelsekunden. Zehnkämpfer Florian Schönbeck aus Pöcking wird 2004 in Athen Zwölfter mit 8077 Punkten.
Beachvolleyballerin Sara Goller, geboren in Starnberg und aufgewachsen in Herrsching, spielt gemeinsam mit Laura Ludwig 2008 in Peking (neunter Platz) und 2012 in London (fünfter Platz). Zweimal wird Tischtennisspielerin Sabine Winter aus Seefeld für London 2012 und Rio de Janeiro 2016 nominiert – aber nur als Ersatz. Für Tokio 2021 und Paris 2024 fühlt sie sich nach einer Rückenverletzung zwar fit, wird aber nicht nominiert. Die 31-Jährige vom TSV Dachau peilt nun Olympia 2028 in Los Angeles an.
Die Wintersportler
Bobfahrer Jakob Nirschl (1925-1997) verdient seine Brötchen als Bäckermeister im Starnberger Ortsteil Perchting, sein Cousin Franz Schelle holt ihn als Anschieber nach Ohlstadt: Bei den Winterspielen 1956 in Cortina d'Ampezzo wird der Viererbob Achter. Nirschl stirbt in Tutzing. An den X. Winterspielen 1968 in Grenoble (Frankreich) nimmt Peter Krick teil. Der deutsche Meister im Eiskunstlauf wird Zwölfter, das Ehepaar Krick lebt seit Jahren in Tutzing.
1968 fährt Willi Schäfer aus Tutzing mit Horst Floth, „Pepi“ Bader und Frank Lange im Vierer-Bob auf den fünften Rang. Hotelkaufmann Horst Floth (1934-2005) ist einer der erfolgreichsten Bobpiloten: Mit Bremser „Pepi“ Bader gewinnt der Feldafinger Ehrenbürger in Grenoble 1968 und in Sapporo 1972 Silber im Zweierbob. Der Vierer-Bob mit Walter Steinbauer aus Dießen wird 1972 in Japan Dritter. Im Zweierbob fährt Andreas Weikenstorfer aus Pähl mit Hans-Jürgen Hartmann 1984 in Sarajevo als West Germany II auf den elften Platz.
Von Kindheit an inspiriert von seinem Vater Franz als Vorbild qualifiziert sich Skeletonpilot Frank Kleber aus Krailling für die Spiele 2002 in Salt Lake City, der Fliesenleger wird Elfter. Skirennläuferin Kira Weidle aus Starnberg landet 2018 in Pyeongchang in der Abfahrt auf dem elften Platz. 2022 in China schrammt die Vize-Weltmeisterin von 2021 als Vierte in der Abfahrt an Bronze vorbei, im Super-G fährt die Sportsoldatin auf Rang 15.
Die Segler
Anton Huber vom Bayerischen Yacht-Club und Erich Ferdinand Laeisz (1888-1958) aus Feldafing werden 1928 in Amsterdam auf der Pan Neunter in der Regatta der Sechs-Meter-Klasse. Stark vertreten sind bei olympischen Regatten die Segler des DTYC Tutzing: Eckart Wagner (1938-2002), untrennbar verknüpft mit dem Segelhersteller North Sails, segelt 1960 in Rom im Star mit Bruno Splieth auf der Bellatrix IX auf Platz sieben, muss aber wegen Erkrankung in einigen Rennen von Karsten Meyer ersetzt werden.
Mit der Subbnboana – ein Boot der 5,5-Meter-R-Klasse mit dem bayerischen Ausdruck für „Suppenknochen“– segeln Herbert „Biwi“ Reich, Fritz Kopperschmidt und Eckart Wagner 1964 in Japan auf Rang fünf. Vier Jahre später werden Wagner und Kopperschmidt 1968 im Starboot Zwölfte.
In Schilksee vor Kiel segeln Norbert Wagner, Fritz May und Hans-Joachim Berndt 1972 auf Rang elf im Soling. Franz Heilmeier, Richard Kuchler (beide Dießen) und Konrad Glas (YC Possenhofen) segeln im Drachen auf der Ostsee punktgleich mit dem drittplatzierten US-Boot auf Rang vier. Der Olympia-Boykott 1980 in Moskau trifft auch die Tutzinger Segler Eckart Wagner, Jörg Mößnang und Michael Nissen.
Im Starboot segelt Jörg Fricke (Bayerischer YC) 1992 in Barcelona an der Seite von Steuermann Hansi Vogt aus München auf Rang sechs – ebenso wie Clubkollegin Sibylle Powarzynski (später: Merk) vier Jahre später in Atlanta im Europe. Sie ist seit 2020 Vorsitzende des Bayerischen Seglerverbandes.
Dreimal startet Michael Fellmann (Bayerischer Yacht-Club) im Finn-Dinghy bei Olympischen Spielen (1996, 2000, 2004), seine Platzierungen: 20.; 21.; 17. Beste Segler in Athen 2004 werden Steuerfrau Kristin Wagner (DTYC Tutzing) mit Anna Höll aus Herrsching und Veronika Lochbrunner im Yngling auf Rang sechs.
Ferdinand Gerz und Patrick Follmann (DTYC Tutzing) segeln 2012 in England vor Weymouth im 470er auf den 13. Platz. Auch der in den USA geborene Adrian Hoesch (Bayerischer Yacht-Club) segelt 2021 in Japan mit dem US-Amerikaner Tyler Paige im 470er – allerdings für Amerikanisch-Samoa als Quotenplatzvertreter von Ozeanien. Der Unmut im Bayerischen YC ist groß, von „Olympiatouristen“ ist die Rede. Der Grund: Mit Belegung des Startplatzes bringt Hoesch seinen ehemaligen Segelpartner Philipp Autenrieth um die Olympiateilnahme. Hoesch wird Vorletzter.
Die Prominenten
Immer wieder hat es Sportler gegeben, die nach ihrer Sportkarriere ins Fünfseenland umsiedelten. Dazu gehört zeitweise Leichtathlet Armin Hary (*1937): Er wird 1960 in Rom als „weißer Blitz“ weltberühmt, weil er als erster Mensch den 100-Meter-Sprint in 10,0 Sekunden schafft. Mit der 4x100-Meter-Staffel gibt es ebenfalls Gold. Zwischenzeitlich wohnt Hary in Dießen am Ammersee, im Alter von 87 Jahren lebt er jetzt in Quierschied (Saarland).
Als „Handballer des Jahrhunderts“ gilt Erhard („Sepp“) Wunderlich (1956-2012): Der Weltmeister von 1978 lebt in den 1990er-Jahren am Starnberger See in einer Villa in Seeshaupt. Bei den Spielen 1984 in Los Angeles gewinnt das deutsche Team mit Wunderlich die Silbermedaille. Im Alter von 55 Jahren erliegt er den Folgen eines Hautkrebsleidens.
Der erfolgreichste Segler Deutschlands ist Jochen Schümann (*1954): Er gewinnt 1976, 1988 und 1996 drei olympische Gold- und eine Silbermedaille (Finn-Dinghy und Soling), unzählige Titel bei Welt- und Europameisterschaften sowie zwei Siege beim America’s Cup. Der gebürtige Berliner lebt in Penzberg und ist Ehrenmitglied im Bayerischen Yacht-Club (Starnberg).
Als erster Sportler gewinnt Skispringer Sven Hannawald (*1974) 2002 die Vierschanzentournee mit Siegen in allen vier Wettbewerben, hintereinander wird er 2000 und 2002 Skiflug-Weltmeister. Bei den Winterspielen 2002 in Salt Lake City holt er mit der Mannschaft Gold. Heute lebt der TV-Experte und Unternehmensberater in Gauting.