Nach einer Kinder-Lesung ist Oliver Pötzsch regelmäßig platt. "Das ist super anstrengend", sagt er und erklärt auch gleich warum. "Weil das eigentlich gar keine Lesung ist, sondern eine Show." Puppen, eine Ritterrüstung und Schwerter packt er dann in sein "Geschichtenmobil", das mit Blümchen bemalte Auto parkt vor dem Haus. Außerdem müssen Musikinstrumente mit, die er selbstverständlich selber spielt. Pötzsch hängt sich richtig rein, denn "was Schöneres als ein Lob aus einem Kindermund", das gebe es gar nicht.
Was für ein großes Glück für alle Beteiligten, dass es "Ritter Kuno Kettenstrumpf" für Grundschüler und die dreiteilige Serie der "Schwarzen Musketiere" für Jugendliche aus der Feder des Bestseller-Autors überhaupt gibt. Bekannt geworden ist der Autor vom Ammersee mit historischen Krimis um eine Henkerstochter. Sie schafften es auf die Spiegel-Bestsellerliste für Belletristik und wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt.
Dabei wollte der damalige Journalist damals einem großen Verlag eigentlich seine Idee für ein Geschichtenspiel vorstellen. Dabei erzählte er auch von anderen Ideen und seiner Sendung für den Bayerischen Rundfunk über die seine Schongauer Ahnen, die Scharfrichter waren. "Da wurde die Frau vom Verlag hellhörig", erinnert sich Pötzsch. Sie vermittelte ihn an einen Literatur-Agenten.
Wochen später, Pötzsch kam gerade mit den Kindern aus dem Schwimmbad, klingelte das Telefon: Es könne losgehen mit der "Henkerstochter-Saga". Der erste Band erschien 2007 und wurde ein großer Erfolg, vor allem in Amerika. Im Mittelpunkt der Geschichten stehen der Henker Jakob Kuisl und seine Tochter, die in mittelalterlichen Kriminalfällen ermitteln. Aktuell schreibt Pötzsch am zehnten Band und er verrät: "Es wird etwas Besonderes passieren."
Mit seinen historischen Kriminalromanen (stehend) wurde Oliver Pötzsch bekannt. Er hat aber auch zwei Kinderbücher veröffentlicht sowie eine Jugendbuch-Reihe.
(Foto: Florian Peljak)Die Arbeit beim Fernsehen hat der 52-Jährige längst aufgegeben. 24 Bücher hat er inzwischen geschrieben, vor wenigen Tagen erschien der dritte Teil seiner zweiten Serie, der "Totengräber"-Reihe, die Pötzsch um die Jahrhundertwende in Wien spielen lässt. Auf der Terrasse einer Doppelhaushälfte in München-Laim präsentiert er das frisch gedruckte Buch, seit 18 Jahren lebt er hier mit seiner Frau Katrin und den Kindern Niklas und Lily. Als hauptberuflicher Schriftsteller sei er "am vorläufigen Ziel meiner Träume", schreibt er auf seiner Homepage. Ob es mit dem Literatur-Nobelpreis noch klappt, den er 1990 als Abiturient am Christoph-Probst-Gymnasium in Gilching in der Kategorie Zukunftsträume angab, wird man sehen.
Er ist froh, dass er nach einigen Jahren seinen Traum von einem Kinderbuch doch noch umgesetzt hat, gemeinsam mit zauberhaften Illustrationen der Münchner Grafikerin Sibylle Hammer. Auch wenn es sich anders ergeben hat und man seinen Namen heute vor allem mit den historischen Krimis verbindet: Im Herzen ist Pötzsch immer noch der Zivi im Kindergarten von einst, der mit den Kindern tobt und ihnen Geschichten aus dem Feenland erzählt, in dem es Schwertkämpfe, Bösewichte und jede Menge Abenteuer gibt.
Pötzsch genießt seine Freiheit, wie er sagt. Keine Chefs, keine festen Bürozeiten. Dennoch habe er mit sogenannten Mehrbuchverträgen auch Verpflichtungen, den Verlagen fristgerecht Material zu liefern. Darum arbeite er recht diszipliniert. In den mehrmonatigen Schreibphasen bringt er jeden Tag vier bis sechs Manuskriptseiten zu Papier, am liebsten vormittags. Nachmittags überarbeitet er das Geschriebene dann. Dafür zieht er sich regelmäßig in seine Heimat am Ammersee zurück, wo er auf einem Garten-Grundstück einen ausgebauten Schäferwagen stehen hat. Hier fand und findet er immer die nötige Ruhe. Auch momentan, wo sich daheim die Kartons stapeln: Die Familie zieht im Oktober in eine Wohnung nach Bogenhausen um. Das heißt, eigentlich nur die Eltern. "Wir lassen es nochmal krachen", sagt Pötzsch. Die Kinder studieren beide im Ausland.
Den geschichtlichen Hintergrund recherchiert der Autor akribisch
So sehr Pötzsch das Leben in der Stadt schätzt und genießt: Regelmäßig ist er rund um Ammersee und Weßlinger See unterwegs. Im Ortsteil Breitbrunn wuchs er mit zwei jüngeren Brüdern auf, die Mutter war Lehrerin, der Vater Arzt. "Überall in meiner Familie gab es Ärzte", erzählt er. Während auch seine beiden Brüder später Medizin studierten, besuchte er die Journalistenschule und studierte Germanistik. Als Jugendlicher entdeckte er Rollenspiele für sich, "ich habe eine extreme Affinität zu Fantasy", erzählt er. Das merkt man seinen Jugendbüchern an, in denen Magie und Zauberei eine große Rolle spielen. Pötzsch liebt es, Geschichte auf diese Weise unterhaltsam zu vermitteln.
Die historischen Grundlagen seiner Romane sind stets akribisch recherchiert. Für die "Totengräber"-Serie um Inspektor Leopold von Herzfeldt etwa reist er regelmäßig nach Wien, für den dritten Band der "Schwarzen Musketiere" war er auf Recherchereise im Harz. Dort quartierte sich der Autor in Quedlinburg in einem alten Fachwerkhaus ein, traf Stadtführer und Archivare, bestieg den Brocken, machte handschriftliche Notizen in sein schwarzes Büchlein und Fotos. Abends sortiert er dann alles. Letztlich, sagt er, sei auch sein "Ritter Kuno" Geschichtsunterricht für Grundschüler. Dass er Schokoladenkuchen isst und Himbeerlimonade trinkt, passt zwar nicht ins Mittelalter - macht aber einfach Spaß.
Oliver Pötzsch liest am Sonntag, 24. September, um 19.30 Uhr im Weßlinger Pfarrstadel aus "Das Mädchen und der Totengräber", das Duo "KlangZeit" begleitet musikalisch. Am Samstag, 7. Oktober, gibt es um 20 Uhr "Das große Henkerstochter-Spektakulum - mit Buch, Schwert, heilenden Kräutern und tödlichen Giften" in der Alten Brauerei in Stegen, Landsberger Straße 57, 82266 Inning am Ammersee. Als Gast wird der Sprecher der "Henkerstochter"-Hörbücher Johannes Steck vor Ort sein. Seinen "Ritter Kuno Kettenstrumpf" präsentiert Pötzsch Kindern von sechs Jahren an am Sonntag, 15. Oktober, um 15 Uhr in einer Mitmachlesung in der Gemeindebücherei Gilching.