Bereits 15-mal haben die Burschen von der Inninger Landjugend in den vergangenen zehn Jahren auf clevere Weise Maibäume gestohlen – unter anderem vom Fliegerhorst in Fürstenfeldbruck. Doch nun gelang den 44 Dieben auf der Wiesn ihr bislang größter Coup – und das nur wenige Tage vor dem Start des berühmten Oktoberfestes: Sie stahlen einen 22 Meter langen Maibaum, der auf der Holzterrasse vor dem Hofbräu-Festzelt auf Böcken lag.
Das Kunststück gelang in der Nacht zum vergangenen Samstag, nachdem ein Team der Landjugend auf Fotos die günstige Situation erkannt und daraufhin am Freitagabend die genaue Lage des weiß-blauen Prachtstücks ausgespäht hatte. Die dreiste Aktion macht mittlerweile Furore und belustigt auch viele Münchner in den sozialen Medien.
Um an den begehrten Maibaum heranzukommen, habe man keine Ausweise vorzeigen oder einen Zaun beschädigen müssen, berichtet ein führendes Mitglied der Landjugend Inning. Der Mann will ebenso wie die anderen Burschen nicht namentlich genannt werden. Man habe einen Sicherheitsmann nur kurz gegrüßt und erklärt, „dass wir unser Werkzeug holen müssen“. Niemand sei nach Papieren oder Ausweisen gefragt worden. „Wir hatten großes Glück und es hat geregnet, was uns in der Nacht entgegenkam“, sagt der 34-jährige Handwerksmeister.
Die entscheidende Phase begann dann gegen 1.30 Uhr: Die Burschen schlichen sich von der Theresienhöhe aus aufs Festgelände zum Zelt, schraubten die Holzriegel auf und wuchteten den Maibaum auf zwei extra präparierte Anhänger. Dann zog ein SUV mit gelben Warnleuchten – eskortiert von weiteren Fahrzeugen der Inninger mit Warnblinkern – unbehelligt von der Theresienwiese. Das alles dauerte nur zwölf Minuten. Über Pasing, Aubing, Germering und Gilching fuhr die Kolonne weiter nach Inning, wo die Diebe um 5.30 Uhr eintrafen.
Der Maibaum wurde bereits am Sonntagnachmittag zusammen mit der Inninger Feuerwehr zum Hofbräu-Festzelt zurückgebracht, hergerichtet und alle Schilder wurden auch wieder angeschraubt. „Das hat insgesamt vier Stunden gedauert“, berichtet die Landjugend, der nun eine Auslöse für den Baum am 29. September mit je vier Mass mit Hendl an fünf Tischen im Traditionszelt vom Wirt zugesprochen worden sei. Zum Diebstahl ihres Maibaumes wollten die Betreiber des Hofbräu-Festzeltes allerdings auch am Mittwoch keine Stellungnahme abgeben.
Dies trifft auch auf den Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner (CSU) zu, der sich auf Anfrage wenig begeistert über diesen nächtlichen Klau auf der Wiesn-Baustelle zeigte. Er werde sich aktuell inhaltlich nicht zu der Sache äußern und warte die Ermittlungen der Münchner Polizei ab, sagte er lediglich. Immerhin wirft das Geschehen unangenehme Fragen auf: Warum konnte dieser Diebstahl auf einem so gut bewachten Baustellengelände erfolgen? Und: Gibt es womöglich Sicherheitslücken auf der Wiesn?
Die Polizei muss dem Vorfall als „Offizialdelikt“ von Amts wegen nachgehen, wobei später die Staatsanwaltschaft München I prüft, ob ein „besonders schwerer Fall von Diebstahl“ vorliegt. Der außergewöhnliche Abtransport des Maibaumes vom Oktoberfestgelände könnte also noch ein juristisches Nachspiel haben – auch wenn bisher noch keine Strafanzeige vorliegen soll.
Diskutiert wird auch darüber, inwieweit dieser Diebstahl noch mit klassischem Brauchtum in Bayern zu tun hat. Normalerweise stehlen die Burschen anderen Dörfern im April ihren Maibaum, der danach mit großem Umtrunk ausgelöst werden muss. Die Landjugend Inning hat heuer schon aus einem Stadl, geschützt mit elektronischen Schlössern, mit „viel Schrauben und Werkeln“ den Maibaum im Landheim Ammersee in Schondorf gestohlen. Im Jahr zuvor hatten die Inninger Maibaumdiebe auf dem Gelände der FT Gern in München – Philipp Lahms Heimatverein – zugeschlagen.
Was die Inninger Burschen auf der Wiesn nun vollbracht haben, ist aus Sicht eines traditionellen Maibaumdiebs aber wohl kaum zu toppen. „Ich glaube, das wird dort auch nie wieder passieren“, sagt der 34-jährige Oberbursche aus Inning.