Süddeutsche Zeitung

Öffentlicher Nahverkehr:Gesucht: Busfahrer mit Impfpass

Die Corona-Pandemie setzt den MVV-Partnerunternehmen zu, ein Teil des Personals ist weiterhin ungeimpft. Nun werden Fahrpläne ausgedünnt und Ersatzfahrpläne verlängert

Von Christian Deussing

Und wieder kommt kein Bus: Lehrer, Eltern und auch Schüler sind genervt, denn sie verspäten sich im Unterricht oder verpassen sogar die erste Stunde. Das "Elterntaxi" muss einspringen oder spontan noch die S-Bahn erreicht werden. Auch Verstärkerbusse sind schon ausgefallen, die extra eingerichtet wurden, um womöglich infektiöses Gedränge in den Fahrzeugen zu vermeiden. Aber die Pandemie setzt auch den Busunternehmen der MVV-Linien im Fünfseenland zu: Bei einigen Anbietern sei mehr als die Hälfte der Fahrer krank oder in Quarantäne, teilt das Landratsamt Starnberg mit. Um die Ausfälle zu kompensieren, werde bayernweit nach Ersatz gesucht, sagt Stefan Diebl, Sprecher der Kreisbehörde.

Es gelte jetzt, das Angebot mit Notfahrplänen zu stabilisieren. Daher würden von kommenden Montag an Fahrpläne ausgedünnt - und zwar auf den Linien 936 zwischen Fürstenried-West und Schulzentrum Gauting, auf der Linie 947 zwischen Gilching-Argelsried und Weßling sowie auf der Linie 949 zwischen Gilching und Schulzentrum Gauting und auf der Linie 965 zwischen Unterbrunn und Buchendorf. Dadurch sollen der Schüler- und Berufsverkehr sichergestellt und spontane Ausfälle vermieden werden, erklärte der Landratsamtssprecher in Abstimmung mit dem MVV und den betreffenden Busunternehmen.

Auf der Express-Buslinie X900 zwischen Starnberg und Buchenau über Gilching ist der Ersatzfahrplan bereits bis zum 30. Januar verlängert worden. Auf der Strecke fällt somit jede sechste Fahrt des 20-Minuten-Taktes zwischen Montag und Samstag aus.

"Wir stehen total unter Druck und arbeiten am Limit", berichtet Gerhard Bestele, Inhaber des Busunternehmens Demmelmair, das für den MVV mit 25 Bussen acht Linien in der Starnberger Region bedient. Der Firma stehen hierfür nach eigenen Angaben täglich 40 Fahrer zur Verfügung. Doch die Personaldecke sei dünn, denn man bekomme trotz großer Mühe keine weiteren Busfahrer, klagt Bestele. Das sei besonders prekär, wenn auch noch ein Fahrer coronabedingt ausfalle oder - wie am Tag zuvor Anfang der Woche - vier Fahrer auf dem Weg zur Arbeit in einem Unfallstau stecken geblieben seien.

Vor dem Start am Steuer wird jeder Fahrer des Busunternehmens Demmelmair getestet. Das kann zur Zitterpartie geraten, weil laut Bestele in seinem Betrieb noch etwa 20 Prozent der Fahrer ungeimpft seien. "Wir versuchen alles, die Quote zu erhöhen", sagt der Firmenchef. Einen Busfahrer, der im Raum Augsburg eingesetzt war, habe er leider schon verloren: Der 48-Jährige sei im Dezember an Corona gestorben.

Nicht ganz so stressig ist bisher die Situation beim Busunternehmen Pavle in Gauting, das sich im Fünfseenland auf den Schülerverkehr konzentriert und hierfür 13 Linien bedient. Doch Hans und Gabi Pavle sind sich der unsicheren Lage in Zeiten der Pandemie bewusst: "Wir sitzen auf dem Feuerstuhl." Das Ehepaar ist aber froh, dass 99 Prozent seiner Fahrer bereits geboostert ist. Noch sei alles glatt gelaufen, es gebe keine Probleme. Allerdings sei seit der Pandemie und den Absagen von Klassenfahrten und Skiausflügen der Umsatz in seinem Reisegeschäft um etwa 70 Prozent eingebrochen, erzählt der 64-jährige Busunternehmer.

Martin Geldhauser bietet im Großraum Starnberg zehn regionale Buslinien an. Sein Personal sei zu 90 Prozent zweimal geimpft, davon seien zirka 75 geboostert. Die noch nicht geimpften Fahrer versuche er mit "Engelszungen zu überzeugen", sich immunisieren zu lassen, sagt der Firmenchef, der wegen der befürchteten Omikron-Welle schon Notfahrpläne vorbereitet.

Angespannt ist deshalb auch Susann Liebscher, Betriebsleiterin beim Regionalverkehr Oberbayern (RVO) in Wolfratshausen: Derzeit habe man zwar noch keine Fahrten wegen Corona streichen müssen, "aber zehn Fahrer haben wir nicht in Reserve", betont sie.

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SZ vom 15.01.2022
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