Süddeutsche Zeitung

Tourismus:Urlaubsflughafen Oberpfaffenhofen

Fluglärmgegner zählen zahlreiche Privatjets, die vom Sonderflughafen im Landkreis Starnberg nach Mallorca, Elba oder Ibiza abheben. Dabei sind nur Geschäftsreiseflüge zulässig.

Von Jessica Schober

Am Donnerstag um 10.47 Uhr hob ein Privatjet vom Sonderflughafen Oberpfaffenhofen ab, Flugnummer VJT827. Reiseziel: Malediven, bekannt für Strände, Lagunen und Riffe. Welche wichtige Geschäftsreise da wohl stattgefunden hat, fragen sich nun Mitglieder des Vereins Fluglärm. "Ist das der qualifizierte Geschäftsreiseflugverkehr, der hier erlaubt ist - oder verwandelt sich der Sonderflughafen schleichend in einen Start- und Landepunkt für private Urlaubsreisen in den Süden?", fragt Vereinsvorstand Rudolf Ulrich. Für die Woche vor Ostern haben Vereinsmitglieder erneut die Daten ihrer zwei Lärmmessstationen mit den Fluginformationen aus Webportalen abgeglichen. Dabei fielen mehr als 30 Privatjets auf, die lautstark Richtung Süden abhoben.

"Wir stellen eine stete Zunahme des Flugverkehrs über die vergangenen Jahre fest und haben beobachtet, dass besonders vor Ferien und Feiertagen viele Flieger in Richtung Süden abheben", teilt der Gilchinger Verein Fluglärm mit. In der Zeit vom 25. März bis 1. April starteten von dem Sonderflughafen 14 Privatjets nach Mallorca, drei nach Elba und Villanova d'Albenga, je zwei nach Nizza und Castille-La Mancha und je einer nach Barcelona, Genua, Brescia, Olbia, Angouleme-Cognac, Dubrovnik, Bozen, Sylt und Malaga.

Der Standortleiter des Flughafens, Christian Juckenack, will die Zahlen des Vereins nicht kommentieren. Er verweist darauf, dass das Luftamt Südbayern als Aufsichtsbehörde bislang keinen Handlungsbedarf gesehen habe. Im vergangenen Herbst hatte auch die Regierung von Oberbayern mitgeteilt, die Edmo GmbH habe als Betreiber des Sonderflughafens nur darauf zu achten, dass die Auflagen für den Geschäftsreiseflugverkehr eingehalten werden.

Doch was als Geschäftsreise zählt, ist Interpretationssache. Schon im September hatten Vereinsmitglieder die Abflüge beobachtet und trotz Corona zahlreiche Feriendestinationen unter den Flugzielen ausgemacht. Die Daten sammeln die Ehrenamtlichen auf zwei Wegen: Zunächst dokumentieren die zwei vereinseigenen Messstationen in Geisenbrunn und Neuhochstadt den hörbaren Lärm. "Wenn da zufällig ein Traktor vorbeifährt, dann lösche ich die Messung natürlich sofort aus dem Datensatz", sagt der Messbeauftragte.

Passend zu den Lärmereignissen suchen die Vereinsmitglieder daraufhin auf öffentlich zugänglichen Portalen im Internet die jeweiligen Flüge heraus. Diese Informationen sind ersichtlich, weil Onlinedienste wie Radarbox oder Flightradar24 die Daten der Transponder auslesen, die jedes Flugzeug an Bord haben muss. Zwar ließen manche Privat-Jet-Inhaber die Datenweitergabe inzwischen blockieren, doch für zahlreiche Flüge seien Informationen erkennbar.

"Das ist eine aufwendige Detektivarbeit, die mich täglich beschäftigt", sagt ein Vereinsmitglied, das nicht namentlich genannt werden möchte. Der Mann aus dem Fluglärm-Beirat, der bereits Anfeindungen erlebt hat, ist selbst Ingenieur und wohnt nur zwei Kilometer von der Landebahn entfernt. Startende Flugzeuge höre er im ganzen Haus, bis zu 85 Dezibel seien "höllisch laut". Ihm ist wichtig zu betonen, dass sich seine Datensammlungen nicht gegen die ortsansässigen Unternehmen richteten, die für ihre Forschungs- und Entwicklungsarbeit Flüge starteten. "Hier fliegen aber mehr Privatjets als Forschungsflugzeuge", sagt er. Auch Weßlings Bürgermeister Michael Sturm (Freie Wähler) bekräftigt: "Wir wollen keine Ferienflieger, der Flughafen ist für Geschäftsreisen gedacht".

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SZ vom 24.04.2021/kbl
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