Oberpfaffenhofen Protest gegen Privatjet-Boom

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Die vielen Privatflieger auf dem Sonderflughafen Oberpfaffenhofen sind Anliegern und dem Fluglärm-Verein ein großes Ärgernis.
Die vielen Privatflieger auf dem Sonderflughafen Oberpfaffenhofen sind Anliegern und dem Fluglärm-Verein ein großes Ärgernis. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Der Gilchinger Fluglärm-Verein verzeichnet auf dem Sonderflughafen eine deutliche Zunahme von privaten Urlaubs- und Wochenendflügen, die „unzulässig“ seien und das Klima belasten. Das Luftamt Südbayern weist die Vorwürfe zurück.

Von Christian Deussing, Oberpfaffenhofen

Ein Paar, das ein Kleinflugzeug auf dem Sonderflughafen Oberpfaffenhofen gechartert hat, um einen Urlaubstrip nach Südfrankreich zu unternehmen, streitet sich im Wartebereich. Der Mann ist betrunken, seine Partnerin rastet aus, beleidigt Polizisten und tritt eine Beamtin. Der Flug wird daraufhin gestrichen. Auch der Gilchinger Fluglärm-Verein erfährt von dem Vorfall, der sich auf dem Flugplatz abgespielt hat. Nun fragt sich der Vorstand des Vereins, der schon seit einem Jahrzehnt die Flugbewegungen auf diesem exklusiven Airport beobachtet: „Ist das der qualifizierte Geschäftsreiseflugverkehr, den Politik und Gerichte gegen den erbitterten Widerstand der Bevölkerung als zulässig entschieden haben?“

Der Verein hat beobachtet, dass der „laute Privatjetverkehr“ seit der Übernahme des Flughafens vor einigen Jahren durch die Unternehmen Triwo und Beos deutlich zugenommen habe – insbesondere zu bekannten Urlaubszielen wie Nizza, Mallorca und Ibiza. Auch während des Oktoberfestes sei eine Zunahme bemerkbar gewesen. Den Verein erreichten massive Beschwerden über den Fluglärm von Anwohnern, die „teilweise schon verzweifelt über einen Wegzug nachdenken oder bereits planen“, wie der Vorsitzende Michael Rappenglück berichtet, der auch SPD-Gemeinderat in Gilching ist.

Zudem werde häufig ein Wertverlust von Immobilien wegen der Lage im Umfeld des Sonderflughafens beklagt. Das dürfe die Politik auf kommunaler, Kreis- und Landesebene nicht weiter ignorieren, meint Rappenglück. Außer dem sogenannten qualifizierten Geschäftsreiseflugverkehr sind in Oberpfaffenhofen eigentlich nur Sportflug-, Werks- und Forschungsflugverkehr erlaubt. Doch der Fluglärm-Verein hat den Verdacht, dass viele private Flüge vermögender Kunden als Geschäftsflüge deklariert würden. Deshalb habe man dem Luftamt Südbayern schon vor einigen Jahren mitgeteilt, dass reine Privatflüge dort nicht zulässig seien. Das sei keine bloße Meinung, sondern beruhe auf einer fachanwaltlichen Bewertung und auf Gerichtsverfahren, erläutert Rappenglück.

Doch die Vorwürfe wies das Luftamt stets zurück: Denn nach dem luftrechtlichen Genehmigungsbescheid sei das Segment „qualifizierter Geschäftsreiseflugverkehr“ nicht dem üblichen Begriff gleichzusetzen. Daher seien Flüge auch zulässig, die keine Linien- oder Charterflüge mit freiem Sitzplatzverkauf seien, erklärte ein Sprecher der Regierung von Oberbayern. Luftrechtlich seien im Bereich des Geschäftsreiseflugverkehrs jährlich bis zu 9725 Flugbewegungen mit Jets von maximal 25 Tonnen Startgewicht erlaubt.

Aus Sicht des Luftamtes gibt es also bislang keine Verstöße gegen die rechtlichen Vorgaben seitens des Flughafenbetreibers. Nach dessen Auskunft gab es im vergangenen Jahr beim Geschäftsreiseflugverkehr 5748 Flugbewegungen und im vorvergangenen Jahr 5605. Für die ersten sechs Monate dieses Jahres wurden dem Luftamt 2862 Flugbewegungen gemeldet. Demnach ist zwar bei Starts und Landungen eine steigende Tendenz ersichtlich, das zulässige Maximum aber noch deutlich unterschritten.

Michael Rappenglück, Vorsitzender des Fluglärm-Vereins, fordert die Politik auf, endlich zu handeln. Der Privatjet-Boom gefährde das Klima, warnt er.
Michael Rappenglück, Vorsitzender des Fluglärm-Vereins, fordert die Politik auf, endlich zu handeln. Der Privatjet-Boom gefährde das Klima, warnt er. (Foto: Georgine Treybal)

Als anerkannte Umweltvereinigung sieht der Fluglärm-Verein die zunehmende Nutzung von Privatjets auch wegen der Kohlendioxid-Emissionen und der Klimaerwärmung äußerst kritisch. Es dürfe es nicht sein, dass Bürgerinnen und Bürger zu klimaschonendem Verhalten aufgefordert und mit Abgaben und Mehrkosten belastet würden, andererseits das „klimaschädlichste und exklusivste aller Verkehrsmittel staatlich begünstigt“ werde, und das zulasten von Umwelt, Klima und lärmgeschädigten Anwohnern. Oberpfaffenhofen sei „leider zu einem Brennpunkt dieser extrem widersprüchlichen Politik geworden“, klagt der Vorstand des Vereins.

Der Verein kritisiert außerdem die mangelnde Transparenz des Flugbetriebs am Sonderflughafen als „andauernd eklatanten Missstand“. Da praktisch keine Daten veröffentlicht würden, habe der Verein vor zehn Jahren mit erheblichem finanziellem Aufwand zwei Fluglärm-Messstationen installiert. Dieser ehrenamtliche Einsatz könne jedoch eine detaillierte Berichterstattung des Flughafenbetreibers oder der Behörden über die Anzahl und Art der Flugbewegungen sowie die Lärmemissionen nicht ersetzen, betont Rappenglück. Auch in diesem Punkt appelliere der Verein an die Politik, „endlich für die den Bürgern geschuldete Transparenz zu sorgen“. Dagegen sieht das Luftamt weiterhin keine Veranlassung, den jeweiligen Zweck der Flüge im „qualifizierten Geschäftsreiseflugverkehr“ aufzuschlüsseln.

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