Bayerischer Raumfahrtgipfel:Völlig losgelöst

Bayerischer Raumfahrtgipfel: Markus Söder dort, wo er sich besonders wohl fühlt: im Kontrollzentrum.

Markus Söder dort, wo er sich besonders wohl fühlt: im Kontrollzentrum.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Ministerpräsident und Science-Fiction-Fan Markus Söder feiert im Kontrollzentrum Oberpfaffenhofen die Raumfahrt. Er verspricht der Branche 50 Millionen Euro - und überrascht damit Wirtschaftsminister Aiwanger.

Von Linus Freymark, Weßling

Der Terminkalender des bayerischen Ministerpräsidenten ist voll gefüllt. Da liegt es in der Natur der Sache, dass nicht jeder darin verzeichnete Eintrag Markus Söder vom Hocker reißt, nach der 17. Bierzelt-Tirade und der 24. Eröffnungs-Laudatio ist das auch verständlich. Aber an diesem Mittwoch ist Söder bestens gelaunt und scherzt mit den Menschen um ihn herum. Der Bayerische Raumfahrtgipfel steht an. Söder ist bekennender Science-Fiction- und Raumfahrt-Fan. Und so ruft der für diesen Morgen verzeichnete Eintrag im Kalender bei Söder ein Gefühl der Freude hervor, das - wie der CSU-Chef freimütig verrät - nicht jeder Termin verursacht. "Ich bin sogar ein bisschen begeistert", ruft er der versammelten deutschen Raumfahrt-Elite zu.

Der Grund für Söders Euphorie : Die Veranstaltung am Deutschen Raumfahrtkontrollzentrum in Oberpfaffenhofen ist ein Heimspiel für ihn. Der Ministerpräsident möchte dafür sorgen, dass Bayern in absehbarer Zeit eine führende Rolle bei der weiteren Erforschung des Weltraums spielt. Die Staatsregierung fördert die Branche mit Milliarden, der Chef der Europäischen Raumfahrtbehörde (ESA) Josef Aschbacher nennt Bayern deshalb gar eine "Weltraummacht".

Am Mittwoch hat Söder eine weitere Finanzspritze im Gepäck. 50 Millionen Euro zusätzlich sagt er zu, um Wissenschaft und Technik zu "pushen". Das Geld soll vor allem in die Entwicklung neuer Satelliten fließen. Wie viel davon auf den Standort in Oberpfaffenhofen entfällt, ist nicht bekannt. Die anwesenden Konstrukteure und Forscher applaudieren, auch die Astronauten Alexander Gerst und Matthias Maurer klatschen. Nur einer reagiert verschnupft: Söders Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Das liegt an Söders Einleitung: "Lieber Hubert, du weißt es noch nicht", hatte der Ministerpräsident seine Ankündigung begonnen. Als Koalitionspartner hört man solche Überraschungen ungern. Aiwanger blickt starr geradeaus. Es wird nicht das erste Mal an diesem Tag sein, dass Söder dafür sorgt, dass bei seinem Stellvertreter wenig Begeisterung über den Termin in Oberpfaffenhofen aufkommt.

Bayerischer Raumfahrtgipfel: Söder, bekennender Raumfahrt-Fan, hat der Branche weitere 50 Millionen Euro Förderung zugesagt.

Söder, bekennender Raumfahrt-Fan, hat der Branche weitere 50 Millionen Euro Förderung zugesagt.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Bevor er sich aber wieder seinem Vize widmet, lobt Söder die technischen Fortschritte der Raumfahrt, ohne die Rolle Bayerns dabei zu vergessen. "Bayern ist Weltraumregion", sagt er und ergänzt, man sei immer bereit, "die sprichwörtliche Rakete" zu zünden, wenn es um neue Innovationen geht. Man sei gerade dabei, die größte Fakultät für Luft- und Raumfahrt in ganz Europa aufzubauen. Das alles soll dazu dienen, Söders Visionen von der Weltraummacht Bayern voranzubringen. Der Freistaat soll nach den Vorstellungen des Ministerpräsidenten eine führende Rolle bei der nächsten bemannten Mondmission spielen. Die mit bayerischen Mitteln finanzierten Satelliten sollen Bilder und Daten aus dem All liefern und so "globale Beobachtungen der Erde" ermöglichen. Davon profitiert unter anderem die Landwirtschaft, da sich Ernteerträge und Düngerbedarf präziser bestimmen lassen. Es ist eine der wenigen Stellen in Söders Auftritt, bei denen Aiwanger nickt. Auch der Klimawandel kann durch die Beobachtungen aus dem Weltraum genauer erforscht und bekämpft werden. Und dann ist da noch der Krieg in der Ukraine, bei dem die Aufklärung durch Satelliten eine Rolle spielt und der auch den geopolitischen Wettbewerb im Weltall befeuert. Russland ist nicht länger Partner, zudem rüstet China gerade massiv auf. "Wenn Europa nicht mithält, fliegen wir aus dem Rennen raus", meint ESA-Chef Aschbacher.

Für Söder sind das alles Gründe, warum auch der Westen in die Zukunft im All investieren muss. Und weil das außer ihm kaum jemand hierzulande erkannt hat, muss eben er, Söder, vorangehen. Auch in der Regierungskoalition habe das nicht jeder verstanden. So habe auch der "liebe Hubert" erst überzeugt werden müssen, erklärt Söder. Der liebe Hubert ringt sich ein Lachen ab. Erst nach einer Stunde, die seinem Chef gehört, darf auch er etwas sagen. Aiwanger moniert eine "Kommunikationspanne": Man habe es verpasst, der Öffentlichkeit die Bedeutung des Themas Raumfahrt deutlich zu machen. So würden sich viele Leute gerade in der aktuellen Energiekrise fragen, wieso die Regierung neue Satelliten ins All schießt, während die Bürger kaum noch ihre Rechnungen bezahlen können. Dabei gebe es doch gute Argumente für die Förderung, etwa den Umweltschutz. "Hänschen Huber und Lieschen Müller gehen mit, wenn sie sehen, da wird was fürs Klima gemacht", erklärt er. Sein Chef Söder hat die Bühne da bereits verlassen und ist einen Raum weiter gegangen: ins Kontrollzentrum.

Kurz zuvor hat der bayerische Ministerpräsident noch die drängendste Frage des Tages beantwortet: Will er selbst auch mal in den Weltraum? Söder windet sich ein bisschen. Schon vorhin hat er bei der Frage nur zögerlich die Hand gehoben.

Bayerischer Raumfahrtgipfel: Wer würde gerne mal ins All? Den Astronauten Alexander Gerst und Matthias Maurer (von links) fällt die Antwort leicht, sie waren ja auch schon mal da. Söders Hand geht nur zögerlich nach oben.

Wer würde gerne mal ins All? Den Astronauten Alexander Gerst und Matthias Maurer (von links) fällt die Antwort leicht, sie waren ja auch schon mal da. Söders Hand geht nur zögerlich nach oben.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Er sei zu groß, sagt er dann. Zudem habe er Zahnplomben, alles keine guten Voraussetzungen für einen Ausflug ins All. Dazu die ganzen Termine. Aber wenn es doch mal möglich sein sollte, wäre er dabei, sagt er dann. Allerdings unter einer Bedingung: Der liebe Hubert muss mit. "Allein will ich ihn nicht unten lassen, das ist mir zu gefährlich", ruft er.

Der Saal tobt. Nur einer ist ganz still.

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