Oberpfaffenhofen:Befehle aus dem All

Oberpfaffenhofen: In Oberpfaffenhofen führt Justin die Bewegungen aus, die im von der Raumstation aus erteilt werden. Wissenschaftler beobachten den Roboter dabei.

In Oberpfaffenhofen führt Justin die Bewegungen aus, die im von der Raumstation aus erteilt werden. Wissenschaftler beobachten den Roboter dabei.

(Foto: Arlet Ulfers)

Der humanoide Roboter Justin kann von der ISS aus gesteuert werden. Das hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) jetzt gezeigt

Von Thorben Pollerhof, Weßling

"Is Justin ready for some work? - Ist Justin bereit, um ein bisschen zu arbeiten?" Die Stimme des italienischen Astronauten Paolo Nespoli hallt etwas kratzig durch die hochmodernen Laboratorien des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) Oberpfaffenhofen. Das Bild hingegen, das ihn live auf der internationalen Raumstation ISS zeigt, ist glasklar. Der angesprochene "Justin", oder "Rollin' Justin", wie er offiziell heißt, ist ein humanoider, also einem Menschen nachempfundener Roboter, den das DLR dafür entwickelt, später einmal auf dem Mars zu landen und dort in der für uns gefährlichen Atmosphäre Arbeiten zu verrichten. Die soll Justin aber eben nicht alleine erledigen, sondern von einem Astronauten gesteuert werden. Von der ISS oder von wo auch immer. Per Tablet. Hauptsache, der Mensch kann warm und gemütlich in einem Sessel sitzen, während Justin draußen die ganze Arbeit macht. Das Ganze findet im Rahmen des Meteron-Projekts statt. "Meteron" (Multi-Purpose End-To-End Robotic Operation Network) ist ein Gemeinschaftsprojekt, unter anderem mit der US-amerikanischen Nasa. Es soll die Technologie entwickeln, Roboter auf der Erde von der internationalen Raumfahrtstation ISS aus steuern zu können. Darunter zählt eben auch Justin.

Nun soll Nespoli von der Raumstation aus Justin auf der Erde steuern. Dazu hat er das passende Tablet parat, die Kommunikation steht. Zu Anfang gibt es ein paar Probleme. Hurrikan Harvey, der zu der Zeit Texas fegt, behindert die Verbindung ins All. Denn das Signal hat einen weiten Weg vor sich. Von Oberpfaffenhofen geht es nach Darmstadt, durch das Übersee-Kabel nach Houston und schließlich in den 400 Kilometer entfernten Orbit. Immer wieder bricht die Verbindung kurz ab, doch sie kommt danach auch immer wieder zustande. Und deswegen dauert es nicht lange, bis Nespoli seine ersten Versuche mit dem Tablet macht und tatsächlich: Justin bewegt sich, erstmals gesteuert von der ISS. Aufgrund der etwa sechs Sekunden langen Verzögerung sieht man auf dem Bildschirm meist im Nachhinein erst die Aktionen, die der italienische Astronaut befiehlt. So bewegt er Justin erst durch den Raum, um ihn dann in einer Solar-Station, die so später auch auf dem Mars stehen soll, aus- und wieder einzuschalten.

Das verantwortliche Team in Oberpfaffenhofen um Neal Lii ist zufrieden. Erst nach dem ersten erfolgreichen Versuch merkt man, wie groß die Anspannung im Raum vorher war. Verschiedene Mitarbeiter des DLR haben sich um den Tisch des "Supvis-Justin"-Teams versammelt, darunter auch Institutsdirektor Alin Albu-Schäffer. Und als die erste Aufgabe erledigt ist, brechen alle in Applaus aus. Glückwünsche werden verteilt und Hände geschüttelt. Und weil Nespoli auf der ISS von der Funktionsweise Justins begeistert ist, holt er zwei Astronauten-Kollegen hinzu, die nun, ohne jegliches Training mit dem Roboter, die Strippen ziehen. Und auch Jack Fischer, US-Amerikaner, und sein amerikanischer Kollege Randy Bresnik können auf Anhieb mit Justin umgehen.

Besonders Fischer ist es, der die Kontrolle über Justin fast gar nicht mehr abgeben will. "You guys have done a great job - ihr Jungs habt einen tollen Job gemacht", funkt er nach Oberpfaffenhofen runter. Programmchef Lii kann sich ein Grinsen nicht verkneifen.

Denn die Funktionsweise ist sehr simpel gehalten. Justin ist in dem Maße intelligent, dass er bestimme Befehle einprogrammiert bekommen hat. So erkennt er die Solar-Station und ihre Einzelteile, kann sich also auf Knopfdruck ohne Probleme mit dem Panel verbinden. Kinderleicht. Und auch der Ausbau des Projekts ist laut Daniel Leidner, Mitglied des "Supvis-Justin"-Teams, kein Problem: "Wir könnten ihm kompliziertere Befehle innerhalb einer Woche einprogrammieren." Und genau das ist auch der Plan. Nach den ersten erfolgreichen Versuchen soll die Befehlspalette von Justin schrittweise ausgebaut werden. Dafür müssen die Astronauten nach dem absolvierten Experiment auch einen Fragebogen ausfüllen, den die Wissenschaftler schließlich auswerten und Justin nach den Aspekten hin verbessern.

Und das ist erst der Anfang. Das DLR will das Projekt auch unter anderem in die ambulante Pflege bringen. So sollen Angehörige Assistenzroboter in den Wohnungen unterstützungsbedürftiger Menschen steuern können, um kleinere Arbeiten durchführen zu können, beispielsweise eine Notfall-Spritze zu setzen. So war das Experiment für das "Supvis-Justin"-Team ein voller Erfolg. Hier und da hakte die Technik und die Software noch, trotzdem waren besonders die Astronauten angetan von dem, was sie da in den Händen hielten.

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