NS-Zeit im Landkreis Starnberg:Die ermordete Wohltäterin

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Die Schriftstellerin Emma Bonn kümmerte sich in Feldafing um bedürftige Familien und arme Kinder, sie selbst wurde von den Nazis in Theresienstadt umgebracht. Die Autorin Angela von Gans hat nun eine Biografie ihrer Großtante veröffentlicht

Von Katja Sebald, Feldafing

Ein Stolperstein vor ihrem ehemaligen Wohnhaus in Feldafing erinnert bereits seit 2012 an das schreckliche Schicksal der Schriftstellerin Emma Bonn. 1942 war die schwerkranke alleinstehende Frau, die aus einer bedeutenden Frankfurter Bankiersfamilie stammte, von den Nationalsozialisten nach Theresienstadt verschleppt worden, wo sie nur zwei Wochen später, am 24. Juni 1942, starb. Die Autorin und Familienforscherin Angela von Gans hat jetzt ein Buch über ihre Großtante Emma Bonn geschrieben, in der ihre bislang unveröffentlichten Texte den Stationen ihres Lebens gegenübergestellt werden: "Emma Bonn - Spurensuche nach einer deutsch-jüdischen Schriftstellerin" ist in der Edition Stroux erschienen.

Emma Betty Charlotte Bonn kam am 5. Februar 1879 als Tochter des Frankfurter Bankiers Wilhelm Bonn in New York zur Welt. Ihre Mutter starb nach ihrer Geburt im Alter von nur 23 Jahren. Ein einziges Foto hat sich von Emma Bonn erhalten. Es zeigt eine unendlich zarte und verletzliche Frau mit ebenso klugen wie traurigen, dunkel umschatteten Augen. Sie ist halb aufgerichtet auf ein dickes Kissen gebettet. Ihr eleganter seidener Morgenmantel kann kaum verbergen, wie mager die Kranke ist. Emma Bonns Leben wurde von einer Nervenkrankheit überschattet, die sich schon in jungen Jahren manifestierte, zunächst durch immer heftiger auftretende Krampfzustände, später durch eine fortschreitende Lähmung.

Von Krankheit gezeichnet: Das einzige Foto, das von Emma Bonn erhalten geblieben ist, zeigt sie auf ein Kissen gebettet. (Foto: Stephan Lehmann)

Sie wurde Schriftstellerin, 1913 kaufte sie ein Haus in Feldafing, ließ es modernisieren und zu einer stattlichen Villa erweitern. Während ihre Familie bereits in den 1920er Jahren Deutschland verließ, entschied sie sich zu bleiben. Sie führte ein sehr zurückgezogenes Leben. Von 1929 an war sie bettlägerig und wurde von ihren Angestellten liebevoll umsorgt. Auf dem Foto ist auch das schwarze Telefon auf dem Nachttisch zu sehen, das wohl über Jahre ihre einzige Verbindung zur Außenwelt war.

In Feldafing entstand Emma Bonns literarisches Werk, darunter 1935 der autobiografische Roman "Das Kind im Spiegel". Angela von Gans, die bereits ein Buch über ihre eigene Familie verfasst hatte, erhielt eines Tages von einem Verwandten aus den USA ein Paket mit unveröffentlichten Gedichten von Emma Bonn. Sie beschloss, sich auf Spurensuche zu begeben und das Leben ihrer Großtante nachzuzeichnen.

"Das Kind im Spiegel" diente ihr dabei als Ausgangspunkt. Es gelang Angela von Gans sogar, viele der im Roman mit veränderten Namen erwähnten Verwandten aus den weit verzweigten jüdischen Familien Bonn, Schuster, Weinberg und Gans zu identifizieren.

Emma Bonns Wohnhaus. (Foto: Stroux Edition)

Angela von Gans verankert die von Emma Bonn verfassten Texte und Gedichte, die sie "als eine Art Tagebuch der sich zuspitzenden politischen Ereignisse" versteht, auch in ihrem literarischen Umfeld. In Feldafing hatte die Schriftstellerin Kontakt zu Bruno Frank und Thomas Mann. Nach Einschätzung ihrer Biografin erfuhr sie von letzterem "keine wirkliche kollegiale Wertschätzung", über einen Besuch im März 1919 notierte er immerhin: "Recht interessant der Montag-Abend im Hause der kleinen Bonn mit ihrer englischen Gesellschafterin." Und 1934 äußerte er sich, schon aus dem Exil, wohlwollend über ihren Roman "Abkehr".

Nicht zuletzt aber schildert die Biografie das Leben von Emma Bonn im Kontext der großbürgerlichen Gesellschaft des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts: Die alten jüdischen Familien in Frankfurt, unter ihnen bedeutende Unternehmer der Gründerzeit, bauten Kinderheime, Kliniken, Altenheime, brachten ihr Vermögen in Sozialstiftungen ein, förderten Museen und Bildungseinrichtungen. In dieser Tradition stand auch Emma Bonn, in deren Haus es warme Mahlzeiten für bedürftige Familien und Weihnachtsfeiern für arme Kinder gab.

Ein Stolperstein vor ihrem ehemaligen Wohnhaus erinnert an ihr grauenhaftes Schicksal. (Foto: Georgine Treybal)

Umso bitterer ist es, dass Feldafinger Bürger bereits 1933 versuchten, Bonn zu denunzieren, und dass ihr Schicksal durch die Begehrlichkeiten des skrupellosen NS-Emporkömmlings Christian Weber besiegelt wurde: Auf sein Betreiben wurde sie 1939 gezwungen, ihr Haus an die ominöse Vereinigung "Das braune Band" zu verkaufen. Das im Kaufvertrag zugesicherte Wohnrecht auf Lebenszeit schützte sie nicht vor der Deportation.

Die Villa diente von 1946 an als Hospital für Displaced Persons in Feldafing, also für verschleppte oder deportierte Menschen, war später eine Kurklinik und ist seit dem Ende der Siebzigerjahre in Privatbesitz. Das Haus steht unter Denkmalschutz.

Angela von Gans: "Emma Bonn 1879 bis 1942", Stroux Edition, 148 Seiten, 20 Euro.

© SZ vom 03.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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