Neujahrsempfang der Kreis-Grünen:Auf der Suche nach der Heimat

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Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler (v. li.), der Grünen-Landtagsabgeordnete Sepp Dürr und der Kabarettist Hans Well. (Foto: Fuchs)

Die Grünen diskutieren auf ihrem Neujahrsempfang in Weßling, wie sich der Begriff verändert hat, welche Gefühle damit verbunden sind und wie gestaltbar er ist

Von Blanche Mamer, Weßling

"Es gibt keinen Planet B" steht auf dem Banner mit dem Grünen-Logo vor dem Podium im Pfarrstadel in Weßling, wo der Neujahrsempfang des Kreisverbands der Grünen stattfindet. Zum Thema "Heimat - Alles nur Weiß-Blau?" hat der Vorstand zu einer Podiumsdiskussion mit dem Musiker und Kabarettisten Hans Well und dem Bezirksheimatpfleger, Autor und Filmemacher Norbert Göttler eingeladen.

Der Begriff Heimat wird derzeit schwer strapaziert und erlebt zugleich einen Hype. Doch was ist Heimat? Wem gehört sie? fragt Sepp Dürr, Landtagsabgeordneter und Moderator der Diskussion. Im Wörterbuch der Gebrüder Grimm von 1877 wird Heimat weit begriffen, als "das Land oder auch nur der Landstrich, in dem man geboren ist oder bleibenden Aufenthalt hat". Was also auch für den Zugereisten gilt und sogar für den Flüchtling!

Bis ins 19. Jahrhundert ist Heimat ein knallharter juristischer Begriff, erklärt Göttler. Das Heimatrecht war sehr teuer und wer nicht zahlen konnte, durfte nicht heiraten. Als emotionale Erfahrung wird sie erst später erkannt, als viele besitzlose Familien weggehen mussten, weil ihnen der Hungertod drohte - damals entstand auch der Begriff "Heimweh".

Nicht nur die bayerische Landschaft, auch ein überschaubares soziales Umfeld gehört für Hans Well zur Heimat. Mit sieben Brüdern und sieben Schwestern auf dem Dorf aufgewachsen, lebt er nun im Nachbardorf. Doch alles ändert sich, die Kulturlandschaft, die Bauerndörfer, auch die Menschen, aus Bauern werden Maurer oder Pendler in die nächste Großstadt. Also was bleibt von der Heimat? "Gut, dass wir nicht genau wissen, was Heimat ist", findet Göttler. Wobei er Angst habe, vor denen die meinen, es genau zu wissen. Auch für ihn ist die Vernetzung ein wichtiges Kriterium und Heimat erst wichtig, wenn Verlusterfahrungen da sind.

Die Suche nach Identität, die Sehnsucht nach Zugehörigkeit findet man in der Musik, der Tracht, im Dialekt, so Well. "Wenn ich in Südafrika bin und einer redet boarisch, da bin ich gleich verbunden." Das Gefühl kennen die meisten, ebenso die Irritation, dass Bayern allzu sehr von der CSU besetzt ist, quasi erfunden wurde. Doch je länger die Heimatpartei am Ruder sei, desto weniger Heimat gebe es, befürchtet Well.

Der Heimatpfleger habe weit mehr mit dem Kultusministerium zu tun, als mit dem Ministerium für Landesentwicklung und Heimat, sagt Göttler. Zudem habe er oft Probleme mit den lokalen Gemeinderäten. "Es muss unser Interesse sein, Heimat zu gestalten, nicht nur zu bewahren", findet er. Beim Widerspruch zwischen klassischem Landschaftsschutz und zukunftsfähiger Energie-Gewinnung sei er für das geringere Übel: Solange es keine Alternative gebe, bekomme das Windrad seine Zustimmung. Und wo Gewerbegebiete nötig sind, könnten sie nicht abgelehnt werden. Was die Teilung der Heimat mit Flüchtlingen angeht, findet er, dass es gute Beispiele aus der Geschichte gibt. Schließlich war Bayern immer ein offener Staat, hatte keine Probleme mit Internationalität. Für Well bieten musizieren und singen eine Chance, nicht nur für die Integration, sondern auch für die Bewahrung von Heimat.

© SZ vom 02.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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