Neues Soloprogramm:Luise Kinseher kehrt als Mama Bavaria zurück

Die Kabarettistin gibt auf Monis Brettl in Gilching erste Einblicke in ihr neues Programm. Und sie singt!

Von Gerhard Summer

Bayern hat seine Mama Bavaria wieder, Gott sei Dank. Sie trägt jetzt ein schickes schwarzes Kostüm mit roten Ziernähten und ist so zart und wunderbar grob wie vormals beim Derblecken.

Gut, es gibt einen Haken: Die Luise Kinseher, die ihre vom Nockherberg abgetretene berühmte Figur nun auf der Kabarettbühne wiederauferstehen lässt, hat damit auch wieder Bayern am Hals. Eine an sich bezaubernde Gegend, wo der Opa allerdings riecht wie der Schweinsbraten, weil Sau und Opa die gleichen Antibiotika nehmen. Wo die Wirtshäuser aussterben, die Wiegen der Toleranz, die in ihrer sozialen Funktion mit Montessori-Kindertagesstätten zu vergleichen sind. Und wo die Münchner im Stau auf dem Mittleren Ring wohnen, sterben und zu Feinstaub zerfallen. Ja, das ist arg. Andererseits kommen die Touristen in Heerscharen. Und das trifft sich aus Sicht der Einheimischen gut. Denn, so singt die Mama zu Musik vom Band: "Wir brauchen Geld, wir haben Durst." Genauer gesagt will sie die Zeile singen, hat aber vorher einen Aussetzer: "Jetzt bin i drauskemma", sagt sie und lacht übers ganze Gesicht.

Nein, keine Aufregung: Das ist eine Vorpremiere. Die Kinseher, das Megaweib des bayerischen Kabaretts, probiert ihr neues Programm "Mamma Mia Bavaria" in Gilching aus, auf Monis Brettl, bevor sie am Mittwoch in München Premiere feiert. Kleine Patzer sind schon deshalb nicht schlimm, weil Kinseher schlagfertig ist und die Zuschauer in der ersten Reihe nach ihren Sternzeichen fragt, wenn sie nicht mehr weiterweiß. Mit ihrem Charme wickelt sie ohnehin jeden um den Finger, der noch bis drei zählen kann. "Einspieltermine" nennt Bühnenchefin Monika Rother die drei Abende hintereinander.

Warum sich Kinseher für Gilching entschieden hat, um ihre absurde Heimatkunde-Saga zu perfektionieren? "Wegen der Moni", sagt sie. Die Rother war eine ihrer ersten Förderinnen. Vor Kinsehers Brettl-Premiere im Jahr 2000 mit "Ende der Ausbaustrecke" rief Rother ihre Stammgäste an und überredete viele, zu kommen. Seitdem gehört die Kinseher sozusagen zum Inventar des Hauses, auch wenn man ihr das angesichts des Inventars kaum wünschen mag. 16 Mal gastierte die vormalige Schauspielerin der Iberl-Bühne schon in Gilching, einmal gab es sogar eine "Welturaufführung", wie Rother sagt, 2014 mit "Ruhe bewahren". Die Mama poliert nicht an ihrem neuen Programm, sie geht mit der Raspel ran. Was nicht ankommt, ersetzt sie. Letztlich werde so ein Stück nie fertig, sagt Kinseher. Am Sonntag ist Landtagswahl, gut möglich, dass sie sich am Mittwoch in München dann stark auf die CSU-Misere konzentrieren wird. Und natürlich: Noch fehlt ein chinesisches Lied, das ihr Komponist Thomas Schwaiger aus Greifenberg noch schreiben muss. "Arbeit in Progress", würde Kinsehers dauerbeduselte Figur Mary in ihrem Kauderwelsch dazu sagen.

Das vielleicht Überraschendste an "Mamma Mia Bavaria" ist ja, wie gut die Kinseher singen kann, wie mühelos hoch sie mit ihrem zweieinhalb Oktaven umfassenden Sopran kommt und wie fein die Lieder sind. Ein symphonisch aufgemotzter, als Opernarie verkaufter Schunkler ist ein Höhepunkt in der ersten Hälfte: der eigentlich zu Tode geschrammelte Faschingshit "Schaug hi, da liegt a toter Fisch im Wasser". Das "Königslied" zu Harfenklang ist noch viel schöner, allein schon wegen seiner melancholischen, fein geführten Melodie. Sollte der Kinseher das Kabarett also mal langweilig werden - sie könnte jederzeit als Liedsängerin anfangen.

Ob der Eindruck auch damit zusammenhängt, dass der Rest des Programms etwas wirr daherkommt? Okay, das ist eine Vorpremiere, und auch in "Ruhe bewahren" hatte die Frau aus Geiselhöring thematisch einen Flickenteppich ausgebreitet, allerdings mit mehr Running Gags. "Mamma Mia Bavaria" ist noch sprunghafter und wirkt wie eine Kurzepisoden-Sammlung. Es gibt ein paar Banalitäten, aber die Texte sind sprachlich eine Wucht, und es wimmelt nur so vor Pointen. Hübsch die Geschichte, wie die Mama das erste Wirtshaus Bayerns eröffnet mit Römern, Restkelten, Druiden und anderen, die Balztänze aufführen, aus denen der Schuhplattler wird. Flächenfraß? Ein Schädling, "der im Schmiergeld nistet und durch Landräte und Bauherren weiterverbreitet wird". Fertigknödel? Leider, "die Bauern finden keine Arbeiter für die Knödelernte mehr". Die Zukunft? Roboter und grüne Leuchthasen, also Karnickel mit den eingepflanzten Genen fluoreszierender Quallen. Und Kirchenregeln? Eine Frau beichtet dem Pfarrer, sie habe es mit ihrem Mann am Sonntag von hinten getrieben, der Geistliche ist entsetzt: Das Kind werde keinen Kopf haben, da müsse er noch mal von vorne ran.

Derbheiten sind Kinsehers Stärke. Trotzdem sieht man in ihrer überdrehten Genesis oft den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Drei Kernsätze bleiben hängen: Erstens beweist der Bayer mit dem Spruch "Wenn der Weiberer mit seim Flitscherl aufm Kanapee hockt", wie polyglott er ist. Zweitens ertrank der Kini nicht, er schwamm zum Westufer des Starnberger Sees, oh ja. Und drittens: "Bloß ned untereinander, des gibt depperte Kinder."

Für die Vorpremiere am Samstag in Gilching gibt es noch Karten (www.kulturmoni.de). Die Premiere am 17. Oktober im Lustspielhaus München ist ausverkauft.

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