Neues Buch:Ein Italiener am Starnberger See

Neues Buch beleuchtet das Leben des Hofsängers Giuseppe Leoni

Von Armin Greune, Berg

Wer meint, italienische Ristoranti gäbe es in Bayern erst seit den Gastarbeitern in den 6o-er Jahren, irrt gewaltig. Vor 230 Jahren - also ein Jahrhundert vor der mutmaßlichen Erfindung der Pizza - reiste Giuseppe Leoni als 18-Jähriger aus Palermo nach München, um sich dort niederzulassen und als Sänger am kurfürstlichen Hoftheater eine bescheidene Karriere zu starten. Wesentlich mehr Erfolg hatte er von 1825 an als Wirt einer Gaststätte in Assenbuch am Ufer des Starnberger Sees. Leoni selbst ist zwar fast in Vergessenheit geraten, der Berger Ortsteil trägt jedoch seinen Namen. Dabei darf Leoni als Pionier der Ausflugsgastronomie im Fünfseenland gelten, wie einer Biografie zu entnehmen ist, die jüngst unter dem Titel "Joseph Leoni - Ein Italiener am Starnberger See" im Volk Verlag München erschienen ist.

Dessen Lokal sei nicht weniger als "die Keimzelle der bürgerlichen Entdeckung des Starnberger Sees" gewesen, schreibt darin der Münchner Musikwissenschaftler und Biologe Christian Lehmann ("Der genetische Notenschlüssel"). Seine Spurensuche in der Reihe "Vergessenes Bayern" vermittelt über 240 Seiten interessante Einsichten in das Leben der Münchner Bohème vor rund 200 Jahren. Wie einst Leoni ist auch der Buchautor Sänger und in diversen Vokalensembles Münchner Kirchen zu hören. Lehmann zufolge waren die künstlerischen Ausdrucksmittel von Leoni allerdings begrenzt, auch wenn er später in einem Reiseführer als "gefeierter Opernsänger am Münchner Hoftheater und Spross eines italienischen Adelsgeschlechts" bezeichnet wurde. In Wahrheit stammte er weder aus einer noblen Familie, noch trat er als Solist in großen Aufführungen in Erscheinung - da waren seiner ersten Frau Marianna als Primaballerina viel größere Erfolge und ein höheres Gehalt beschieden.

Für Leoni dagegen macht sich seine Freundschaft mit dem Finanzbeamten und Theaterabonnenten Franz von Krenner durchaus bezahlt: In dessen Holzhaus am Starnberger See ist der Berufssänger häufig zu Gast, bis er es 1819 erbt. Sechs Jahre später kann Leoni auch das dazugehörige Grundstück für 2000 Gulden kaufen und lässt dort ein neues Gebäude für eine Gastwirtschaft errichten. Das Lokal wird bald zum angesagten Treffpunkt der Münchner Künstlerszene: Vier bis fünf Stunden waren Maler, Sänger und Literaten von dort bis an den See unterwegs.

Wo zuvor nur armes Fischervolk zu Hause war, entwickelte sich Assenbuch - auch dank der weithin gerühmten italienischen Küche von Leonis zweiter Frau Rosina - bald zu Leonihausen: "Die wahre Heiterkeit, das wahre Leben am See, ist nur auf der Villa Leoni zu Hause", schwärmte etwa der zeitgenössische Schriftsteller Friedrich Bruckbräu. Neun Jahre lang blieb die Gaststätte Schauplatz ausgelassener Feiern, bis der stets als jugendlich-fröhlich beschriebene Wirt am 27. Dezember 1834 starb. Seine Ehefrau führte das Lokal zunächst weiter, danach hatte es wechselnde Besitzer. 1893 wurde Leonis Villa abgerissen und ein Hotel erbaut, das wiederum 1973 abgerissen wurde, um dem heutigen Seehotel Leoni Platz zu machen.

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