Neues Buch:"Absolute Freiheit gibt es nicht"

Bürgerrechte in Zeiten des Terrorismus: Die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger präsentiert im Rahmen einer Lesung in ihrem Heimatort Feldafing Auszüge aus ihrem Buch "Haltung ist Stärke"

Von Tabea Braun, Feldafing

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Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat ein neues Buch herausgebracht. "Haltung ist Stärke", heiß es.

(Foto: imago/Christian Thiel)

Von der großen bundespolitischen Bühne in Berlin ins beschauliche oberbayerische Feldafing: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger stellte am Donnerstagabend im Rahmen einer Lesung ihr Buch "Haltung ist Stärke" auch in ihrem Wohnort am Starnberger See vor. Trotz des warmen Sommerabends interessierten sich rund 35 Bürger in der kleinen Bibliothek für das neue Werk.

Von ihrer Kindheit im nordrhein-westfälischen Minden über ihren politischen Werdegang ging Leutheusser-Schnarrenberger weiter zu aktuellen politischen Streitfeldern. Dabei stellte sie vor allem das Spannungsverhältnis zwischen Sicherheit und Freiheit in den Mittelpunkt: Welchen Stellenwert haben Freiheitsrechte in Zeiten von Terrorismus? Warum ist es nicht egal, wenn der Staat die Kommunikation seiner Bürger überwacht? Teilweise mit komplexen theoretischen Zügen, aber auch anhand aktueller Fallbeispiele gab sie Antworten, aus denen deutlich wird, wie besorgt sie um den Verlust von Freiheitsrechten und Demokratie ist.

Bei der anschließenden Diskussion kam die Entscheidung des Bundestags zur Sprache, deutschen Behörden die Berechtigung zu erteilen, Trojaner auf Computer, Tablets oder Smartphones zu spielen. Dies macht eine Überwachung von Nachrichten, die über Messengerdienste wie WhatsApp verschickt werden, möglich. Das Gesetz "geht fast weiter als der Große Lauschangriff", ist die Rechtsexpertin überzeugt. 1995 trat Leutheusser-Schnarrenberger als Justizministerin aus Protest zurück, als die FDP dem Gesetzentwurf zur Legalisierung des Abhörens von Wohnungen zustimmte. Ihre damalige Entscheidung, das wurde bei der Lesung deutlich, schätzen viele Bürger, beweist sie doch Standfestigkeit. Auf die Frage, warum der aktuelle Gesetzentwurf weit weniger in der Öffentlichkeit diskutiert wird, als seinerzeit der "Lauschangriff", verwies sie darauf, in welch kurzer Zeit die Koalition den Gesetzentwurf durch den Bundestag gedrückt hat: Eine "ziemliche Frechheit" sei das.

Eine Frage aus dem Publikum lenkte die Diskussion auf die großen Konzerne; auch sie müssten strengere Regeln im Umgang mit Daten auferlegt bekommen. In diesem Zusammenhang lobte Leutheusser-Schnarrenberger die eingeführten europäischen Standards, sie hätten bereits viel verbessert. Die Problematik müsse jedoch durchaus im Auge behalten werden.

Beim Datenschutz standen aber auch Sicherheitsbedenken im Raum: Wie terroristische Pläne erkannt werden könnten, wollte ein Zuhörer wissen. Die FDP-Politikerin erläuterte dazu ihren Standpunkt am Beispiel des Berlin-Attentäters Anis Amri: Die Sicherheitsbehörden hätten ihn festnehmen können, wenn sie die Informationen richtig bewertet hätten. Doch in der Überwachung müsse es Grenzen geben. Man müsse abwägen zwischen Sicherheit und Freiheit: "Absolute Freiheit gibt es nicht". Auch im Publikum gab es Stimmen, die Probleme im Umgang mit gesammelten Daten sehen. Dass Informationen etwa zu Verurteilungen innerhalb Europas oder zwischen den deutschen Bundesländern nicht vollständig ausgetauscht werden, kritisierte Leutheusser-Schnarrenberger. Statt das Problem zu beheben und einheitliche Standards einzuführen, würden nun mehr Daten von den Bürgern gefordert.

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