Süddeutsche Zeitung

Neuer Drive-in-Test:Mit Vitamin B gegen das Coronavirus

Zufällig arbeiten zwei Kraillinger bei Labors - einer organisiert Abstrichkits, der andere Laborkapazitäten. Getestet werden sollen vor allem die eigenen Bürger.

Von Carolin Fries

Stünde an der Einfahrt nicht groß ein Schild mit der Aufschrift "Corona-Drive-in", könnte man meinen, die Gemeinde Krailling hätte am Freitagnachmittag ein kleines Festival auf der Freifläche hinter dem Feuerwehrhaus vorbereitet. Zwei Zelte stehen bereit sowie eine Christkindlmarkt-Bude in der Einfahrt. Doch von gelöster Stimmung oder gar Vorfreude ist bei den Bauhof-Mitarbeitern, die mittags die letzten Schilder montieren, nichts zu spüren. Und auch Bürgermeister Rudolph Haux (FDP) ist angespannt, denn er veranstaltet keine Party, sondern hat binnen weniger Tage eine zweite Corona-Abstrichstelle im Landkreis eingerichtet. Ausschließlich Patienten mit Überweisungsschein finden hier Einlass.

Bis zu 60 Abstriche wollen die Kraillinger Hausärzte Christina und Richard Aulehner sowie Sebastian Brechenmacher hier von Montag an jeweils von neun bis zwölf Uhr vormittags von begründeten Verdachtsfällen nehmen. "Die Idee sei "aus der Not heraus entstanden", erzählt Christina Aulehner. "Der kassenärztliche Bereitschaftsdienst kam der Anfrage nicht mehr nach und auch die Labore nicht." Also nahmen sie und ihr Mann Richard in den vergangenen Wochen vor der Praxis in der Kraillinger Ortsmitte Abstriche von etwa 30 Patienten, die die Kriterien des Robert-Koch-Instituts erfüllten. Der diskrete Drive-in am Ortsrand sei eine Entlastung - "für uns und die Patienten", wie die 43-jährige Ärztin sagt. So bliebe die Praxis coronafrei und Verdachtsfälle könnten dennoch behandelt werden. Termine werden ausschließlich über die beiden Kraillinger Praxen vergeben, die Nachfrage ist groß. "Im Rathaus haben schon 30 bis 40 Leute angerufen, die kommen wollen", erzählt Haux.

Der Bürgermeister hat über private Kontakte dafür gesorgt, dass ausreichend Testkits und Laborkapazitäten zur Verfügung stehen, "zufällig arbeiten zwei Kraillinger in führenden Positionen bei Laborketten". Jochen Zoller hat spontan 2000 Testkits für den Drive-in gespendet, Heinz Ohel stellt im Landkreis Ebersberg Laborkapazitäten zur Verfügung. Freiwillige Helfer würden die Abstriche, die untertags in einem Kühlschrank im Feuerwehrhaus lagern, abends mit dem Gemeindefahrzeug in den Münchner Osten fahren. "Binnen 24 Stunden haben die Ärzte die Ergebnisse", so Haux. Vorrangig sollen Kraillinger Patienten behandelt werden, denn "hier leben verhältnismäßig viele Senioren", wie der Bürgermeister begründet. Von den knapp 8000 Einwohnern ist ein Viertel mehr als 65 Jahre alt, etwa zehn Prozent sind älter als 80 Jahre. Patienten aus anderen Gemeinden müssen von ihren Ärzten an die Kraillinger Praxen überwiesen werden.

Seit Mittwoch ist bereits die Drive-in-Abstrichstelle des Landkreises in Andechs in Betrieb. Dort wurden am Freitag 36 Patienten getestet, am Montag werden es 34 sein. Während noch viele Ergebnisse ausstehen, haben die vier Mitarbeiter des Gesundheitsamts, die Kontakt zu einem infizierten Kollegen hatten, negative Bescheide bekommen. Die drei Ärzte - darunter Gesundheitsamtsleiter Lorenz Schröfl - und eine Verwaltungsangestellte müssen sich laut Landratsamt aber weiter isolieren. Ebenfalls negativ waren auch Testergebnisse der Verdachtsfälle in den Gemeinschaftsunterkünften in Berg und Percha.

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SZ vom 28.03.2020
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