Süddeutsche Zeitung

Neue Verhandlungen:Die Bahn ist am Zug

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Eine Delegation der Stadt versucht, doch noch einen Kompromiss zur "Seeanbindung" zu finden. Scheitern die Gespräche, klagt der Staatskonzern auf Schadenersatz über 170 Millionen Euro

Von Peter Haacke, Starnberg

Das bedeutsamste, aber auch umstrittenste Thema für Starnberg - da sind sich die Kommunalpolitiker der Kreisstadt einig - ist neben dem B 2-Tunnel die "Seeanbindung". Seit im Jahr 1987 ein Vertrag zwischen der Stadt und der Bahn geschlossen wurde, der im Wesentlichen die Übereignung nicht benötigter Bahngrundstücke an die Stadt und eine komplette Umgestaltung des Areals rund um den Bahnhof See vorsieht, wird darum gestritten. Zwischenzeitlich schienen die Verhandlungen zwischen den Vertragspartnern völlig festgefahren, 2019 reichte die Bahn nach einer gescheiterten Mediation eine Schadenersatzklage über 170 Millionen Euro ein. Der Zug schien endgültig abgefahren zu sein. Der Stadtrat setzt seine Hoffnung nun darauf, doch noch eine einvernehmliche Lösung mit dem Staatskonzern zu finden: Noch im März sollen die Gespräche beginnen, ein Scheitern der Verhandlungen könnte ein finanzielles Desaster bedeuten.

Der Stadtrat befasste sich am Donnerstag ein weiteres Mal mit der Angelegenheit und bestätigte mit großer Mehrheit einen Acht-Punkte-Beschluss, der zuvor im "Projektausschuss Bahnhof See" erarbeitet worden war. Einigkeit herrscht in dem Bekenntnis der Stadt zum Projekt "Seeanbindung", zur barrierefreien Umgestaltung des Bahnhofs und die Verbesserung der städtebaulichen Situation durch die Trennwirkung der Gleise - dies alles in Einvernehmen mit der Bahn.

Über die weiteren Punkte ist man sich nicht einig. Insbesondere WPS und BMS, die Gruppierungen der ehemaligen Bürgermeisterin Eva Pfister, die zuvor behauptet hatten, ein Auslaufen des 30-jährigen Vertrages bleibe folgenlos, sperren sich: Dies betrifft die Verlegung des Regionalzughaltes an den Bahnhof Nord und die Diskussion über zwei Varianten eines Wendegleises: Wunsch der Bahn ist ein Standort im Innenstadtbereich, die Stadt möchte es in Richtung Niederpöcking verlagern.

Wesentlich ist vor allem eine neue Vertragsgrundlage: Angestrebt wird eine Finanzierung des Projektes durch Fördermittel von Bund und Freistaat, die aufgrund der Kriterien von 1987 ausgeschlossen ist. Die Stadt möchte sich nur "im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit" mit einem Restbetrag an dem 150-Millionen-Projekt beteiligen. Ein Planungsteam soll die Eckpunkte - Potenziale, Investitionsaufwand und Erlöse - ermitteln. Stadtbaumeister Stephan Weinl rechnet mit einem Erlös von mehr als 50 Prozent. Überdies soll das Verhandlungsergebnis in eine Bewerbung für die Landesgartenschau im Jahr 2030 einfließen, als Chance für die Seeanbindung.

Diesen Zielen untergeordnet sind Anträge aus der Bürgerschaft, die unter anderem eine Sanierung der historischen und maroden Bahnsteigdächer sowie den - zur Not auch provisorisch gestalteten - barrierefreien Ausbau der Bahnsteigzugänge und der Unterführung fordern. Die Anträge zum Erhalt des Bahnhofs See am aktuellen Standort sowie zur Offenlegung sämtlicher Vertragsunterlagen zum Umbau sind ohnehin utopisch: Die Bahnhofsstation ist Eigentum der Deutschen Bahn, und an einer Veröffentlichung der Verträge sind weder Stadt noch Bahn interessiert.

Sowohl Bürgermeister Patrick Janik, als auch Stadtrat und Mitgliedern der Verhandlungsdelegation ist bewusst, dass die Stadt vom Wohlwollen der Bahn abhängig ist. Zum Team der Stadt zählen neben Janik, Weinl und Juristen auch die Stadträte Thomas Beigel (CSU), Franz Sengl (Grüne), Otto Gaßner (UWG), Angelika Kammerl (Vize-Bürgermeisterin) und Maximilian Ardelt (WPS).

Sollten die Verhandlungen scheitern, stünde eine jahrelange juristische Auseinandersetzung an. Tim Weidner (SPD) fürchtet gar den "Ruin der Stadt". Ein unterirdischer Bahnhof, wie ihn Lutz J. Janssen konzipierte, hätte 120 Millionen Euro gekostet, die Bahn klagt auf 170 Millionen. Letzte verbleibende Option der Stadt: Die Bundesrepublik Deutschland als Eigentümer der Bahn in die strittige Angelegenheit zu involvieren.

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Quelle:
SZ vom 01.03.2021
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