Liebe Leute, allmählich spüre ich die Jahrhunderte in den Knochen. Nur mein Appetit hat noch nicht nachgelassen, im Gegenteil: Speisen nimmt einen immer größeren Stellenwert in meinem Leben ein. Meine fränkische Großtante Xanthippe – sie wohnt in einem Karpfenteich im Aischgrund, aber das nur nebenbei – sacht gerne mal: „Fainschmeggerai ist die Ärrodig des Alders.“ Entschuldigt, aber das mit dem landestypischen R, sprachwissenschaftlich ein stimmhafter alveolarer Vibrant, kann ich schon akustisch nicht wiedergeben, geschweige denn schriftlich.
Wie auch immer, ich werde hier jetzt bestimmt nicht mein Intimleben vor Euch ausbreiten. Aber auf dem Gebiet der Kulinarik herrscht zwischen mir und meiner Nepomuka geradezu himmlische Harmonie. Stundenlang können wir zusammen schnippeln und brutzeln, pochieren und blanchieren, um dann anschließend den Freuden des Essens zu frönen.
Besonders hat es uns die italienische Küche angetan: Bucatini all’amatriciana (natürlich nur mit echtem Guanciale aus der Schweinebacke), Strozzapreti mit hausgemachtem Pesto oder eine Zuppa di Pesce misto della nonna etwa. Ab und zu darf es aber auch gerne einmal eine Pizza sein, am liebsten italienisch-sparsam, aber delikat belegt. Leider kriegen wir in unserer feuchten Heimstatt keinen Holzofen in Gang.
Da könnte doch „Call-A-Pizza“ aushelfen, zumal mir da gerade erst ein Werbeprospekt ins Haus geflattert ist. „MEHR PIZZA GEHT NICHT“, schreit es mir entgegen. Unter „COOLER WINTER. HEISSE PIZZA!“ wird etwa die „Polarstern“ wärmstens empfohlen: „Pizzateig mit leckerer Bratensauce, Edamer, klassischem Rotkohl, leckeren Klößen aus frischen Kartoffeln, einer cremigen Hollandaise und mit Pulled Duck oder knusprigem Bacon“. Ich glaube, man muss kein Italiener sein, wenn es einem da eiskalt den Rücken runterläuft. Oder wie wäre es mit einer „Urknall“ („Neue Rezeptur!“): „gefüllter Pizzateig mit pikanter Barbecue-Soße, Edamer, Peperoni, Salami, Beef, roten Zwiebeln, frischer Paprika und scharfen Jalapeños sowie einer cremigen Hollandaise und Käse on top“. Als Alternative bietet sich die „Pizza Vegan BBQ“ an, unter anderem „mit pikanter Barbecue-Soße“ und „veganem Hefeschmalz“ belegt. Rülps!
Also mir hat diese „Speisekarte“ stundenlang den eigentlich unverwüstlichen Appetit verschlagen. Das Wort „lecker“ fand ich zwar schon immer irgendwie unappetitlich – seitdem aber spüre ich dezenten Brechreiz, wenn ich es lese. Für mich kommt da künftig nur noch „delizioso“ in Frage.