Nepomuk:Essen in Orange

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Es muss nicht immer am Merlot liegen, wenn Speisen unnatürliche Farben haben

Bin ich froh, wenn endlich diese Ferien vorbei sind, das kann ich Euch sagen. Nix los, nicht einmal anständig Mittagessen kann man gehen. Normalerweise setze ich mich ja oft in die Kantine im Landratsamt. Nein, nicht wegen des Essens, das ist eher gruselig. Aber da bin ich immer auf dem neuesten Stand, was Landrat Karl Roth und Co. so vorhaben. Und wer mit wem, Ihr wisst schon, was ich meine. In die "Cantina" geh ich auch gern. Da treff' ich manchmal meinen Spezi Heinrich Frey. Immer dann, wenn seine emsige Frau Barbara wieder einmal in Sachen VdK unterwegs ist und ihm nichts Warmes kocht mittags, macht der Altlandrat einen Abstecher zum Italiener. Aber der hat auch zu, porca miseria. Darum hab ich beschlossen, es mir mal richtig schön zu machen in dieser langweiligen besinnlichen Zeit. Und wo rührt sich immer was? In einem Hotel natürlich. Also auf ins Vier Jahreszeiten in Starnberg. Das Aubergine dort hat ja sogar einen Michelin-Stern. Aber das heb ich mir für später auf, wenn's wirklich was zum Feiern gibt. Im Oliv's soll's auch ganz gut sein, hat mir eine Freundin erzählt. Also nichts wie rein in die gute Stube. Ein Gewusel herrscht da drin, das könnt Ihr euch nicht vorstellen, so viele Kellner und Kellnerinnen laufen da rum. Mir war ganz schwindlig, drum hab ich mich erst einmal an einem Tisch mit vier Hotelgästen dazugesetzt. Eine gute Wahl! Denn immer, wenn sie ans Buffet gingen, konnte ich an dem Merlot nippen, den sie bestellt hatten. Und die anderen Gäste beobachten. Am Nebentisch zum Beispiel saß eine Familie, die ein Menü bestellt hatte. Feine Sachen, Hirschschinken, Kürbiscremesüppchen, Perlhuhn und Zimteis. War schon ganz gespannt, wie das aussieht auf dem Teller. Aber irgendwie muss mir der Merlot zu Kopf gestiegen sein, oder besser gesagt in die Augen. Weil alles, was da auf dem Nebentisch aufgetragen wurde, merkwürdige Farben hatte. Das Weißbier: orange. Der Schinken: orange. Die Kürbissuppe: supersuperorange. Der weiße Sekt: rosa. Die Perlhuhnbrust: orange. Der Wirsing: türkis. Das Zimteis: orange. Mir wurde angst und bang. Was war in dem Merlot? So viel hatte ich doch auch wieder nicht getrunken, nur genippt, ganz ehrlich. Ich beschloss, nach Hause zu gehen. Beim Hinausschweben war mir dann klar, warum das Essen so komisch farbig war. Es lag an den LED-Lampen neben den Tischen. Mir fiel ein Stein vom Herzen, das könnt ihr mir glauben. Und nächste Woche geh' ich wieder in die Landratsamts-Kantine, verspricht

euer Nepomuk

© SZ vom 07.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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