Süddeutsche Zeitung

Nepomuk:Das latente Tempo 30

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Es gibt Dinge, die gibt es, aber man sieht sie nicht. Corona gehört dazu - und auch die Geschwindigkeitsreduzierungen in Inning

Von Eurem Nepomuk

Liebe Leut', manchmal ist mir ja philosophisch zumute. Vor allem nach den vielen Wochen, die ich einsam und verlassen - na gut, Nepomuka war da, aber Ihr wisst ja, wie das ist - also ohne Euch in den Untiefen des Starnberger Sees und Ammersees auf meinen Algensofas lümmelte. Jedenfalls grübelte ich ununterbrochen über die Frage nach, wie es sein kann, dass so ein unsichtbares Ding wie das Corona-Virus sich zur Weltmacht aufspielen kann - und ob man Unsichtbares nicht einfach als nicht-existent und damit als verschwunden erklären könnte.

Zugegeben, ich bin da nicht von allein draufgekommen. Nein, Facebook und Co. mit den vielen unsinnigen Verschwörungstheorien haben mich nicht dazu verleitet. Inspiriert haben mich mal wieder die Inninger. Oder besser gesagt die Weilheimer? Da bin ich mir jetzt gar nicht so sicher. Jedenfalls, als ich mal wieder vom Starnberger See in den Ammersee wollte - das Sofa ist da viel weicher -, komme ich durch die kleine Ammerseegemeinde durch. Und was sehe ich? Nix. Zumindest kein einziges Tempo-30-Schild an der Ortsdurchfahrt. Jahrelang haben die Inninger das gefordert. Vor einem Vierteljahr wurde ihnen dieser sehnliche Wunsch dann erfüllt - zwar nur für einen Teilbereich und nur nachts. Aber immerhin. Das Landratsamt hat das angeordnet. Aber ohne Schild weiß halt niemand was davon und rauscht munter weiter durch Inning.

Und wer nicht schneller als 50 Stundenkilometer fährt, kann auch nicht geblitzt werden. Es ist ja kein Schild da. Beim zuständigen Straßenbauamt Weilheim wird man auf die nächsten Wochen vertröstet. Dann werde man schon Schilder basteln. Dass das noch nicht geschehen sei, na ja, daran sei Corona schuld. Na ja, wie an allem - auch wenn das dem Virus herzlich wurscht sein dürfte. Eines ist sicher: Anders als Tempo 30 in Inning ist Corona existent. Auch wenn man es nicht sieht. Und deshalb viele nicht daran glauben wollen, was sie jedem mantragleich erklären, der auf dem Sofa liegend im Internet surft. Aber all denen sei gesagt: Schon allein aus philosophischen Gründen sind diese Theorien Unsinn.

Da brauch' ich nur mich als Beispiel anführen: Ich bin ja auch unsichtbar, aber mich gibt es trotzdem. Und verschwinden werd' ich sicher auch nicht so schnell. Das verspricht

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SZ vom 09.05.2020
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