Süddeutsche Zeitung

Naturschutz:Strampeln im Stoßverkehr

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Zum letzten Mal in diesem Jahr radeln am Freitag Demonstranten auf der Birkenallee von Raisting nach Fischen. Die direktere und attraktivere Alternative durch die Blumenwiesen am Ammerseesüdufer wird beharrlich ignoriert

Von Armin Greune, Fischen

An diesem Freitag endet die nunmehr dritte Saison: Wieder werden einige Dutzend Radfahrer um 17 Uhr am Raistinger Maibaum aufbrechen, um für einen Radweg entlang der Birkenallee zu demonstrieren. Seit September 2014 organisiert die "Initiative Radwege am südlichen Ammersee" im Frühjahr und Herbst einmal monatlich diese Aktion. Die Beharrlichkeit des Kreises um den Pähler Bürgermeister Werner Grünbauer und den emeritierten Kernphysiker Ernst Roeckl, der nun in Dießen lebt, kann man eigentlich nur bewundern - denn man ist seinem Ziel seither keinen Schritt nähergekommen.

Im Gegenteil: Ein vor einem Jahr eingereichtes Gefälligkeitsgutachten, das dem Weg die naturschutzrechtliche Unbedenklichkeit bescheinigen sollte, ließ Umweltbehörden und Bezirksregierung völlig kalt. Und der Versuch, in diesem Sommer in Pähl ein Bürgerbegehren für den Radweg zu starten, scheiterte kläglich. Im Gegensatz zur Mehrheit des Pähler Gemeinderats erachtete das Landratsamt Weilheim einen Bürgerentscheid für unzulässig, weil die Gemeinde für den Wegebau an einer Staatsstraße durch zwei Landkreise logischerweise nicht zuständig sein kann.

Mehr als zwei Jahrzehnte und schon lange vor der derzeitigen Initiative hatten sich Kommunalpolitiker vergeblich für den Bau des Radweg entlang der schmalen Birkenallee engagiert. 2008 wurden die Pläne wegen unlösbarer Konflikte mit dem Naturschutzrecht endgültig eingestellt: Eine neue Trasse hätte das Naturschutzgebiet, FFH- und Vogelreservat im Bereich der Ammermündung erheblich beeinträchtigt. Außerdem steht Radlern mit der Raistinger Schleife eine nur drei Kilometer längere Alternative für die Strecke Dießen-Fischen zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund könnte die Bewunderung über die Hartnäckigkeit der radelnden Demonstranten einem Kopfschütteln weichen: 2014 hatte Verkehrsminister Joachim Herrmann darauf hingewiesen, dass "ein Festhalten an einer faktisch nicht umsetzbaren Lösung" zum Stillstand bei der Optimierung alternativer Lösungen bedeute. Tatsächlich sind die Gemeinden mit der Planung eines Radwegs zwischen Dießen und der Raistinger Schleife seit Anfang 2011 befasst, ohne bislang Fortschritte zu erreichen. Beharrlich weigern sich die Demonstranten, die Schleife zur Kenntnis zu nehmen und fahren statt auf direktem Weg von Raisting nach Fischen auf Kreisstraße und Birkenallee. Sie nehmen dabei nicht nur den Umweg, sondern auch Lärm und Abgase des Feierabendverkehrs in Kauf - anstatt auf meist asphaltierten Feldwegen entlang von Iris- und Orchideenwiesen die Aussicht auf Berge, Erdfunkstelle, Störche und Ammer zu genießen.

Hinzu kommt, dass die Radweg-Verfechter auch zu dubiosen Mitteln greifen, um die Unersetzlichkeit des Weges entlang der Birkenallee darzustellen. So hatte Grünbauer bei der Beauftragung des Gefälligkeitsgutachtens "vergessen", auch die Schleife - wie ursprünglich abgemacht - untersuchen zu lassen. In der Folge zog die Gemeinde Raisting ihre Zusage zurück, das Gutachten mitzufinanzieren.

An diesem Mittwoch war Grünbauer in die Evangelische Akademie Tutzing eingeladen, um sein Problem im Rahmen einer Tagung zur Frage "Wie nutzen wir Landschaft?" vorzutragen. Während Aschheims Bürgermeister, der Isartalverein, die Ortsgruppe Schleißheim und "Green City" ihre Projekte vorstellten, sah der Pähler Bürgermeister die "kommunale Selbstverwaltung durch Umweltvorschriften eingeschränkt" und forderte: "Das Verbandsklagerecht des Bund Naturschutz gehört abgeschafft". Und um die Notwendigkeit des Radwegs darzustellen, scheute er nicht davor zurück, offensichtliche Unwahrheiten zu verbreiten: Er behauptete, die Verkehrsinfrastruktur am Ammersee habe sich in den vergangenen 30 Jahren durch neue S-Bahn-Anschlüsse verändert. Und zwischen Fischen und Dießen sieht Grünbauer die einzige Lücke im Radrundweg entlang des Ammerseeufers. Offenbar hatte er wohl "vergessen", dass zwischen Stegen und Herrsching ein Viertel der Runde vom See weg und durch reizvolle, aussichtsreiche Landschaft führt - genau wie die halb so lange Schleife am Südufer.

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Quelle:
SZ vom 06.10.2017
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