Naturschutz:Kampf um ein Stück Wald

Krailling, Eichen-Hainbuchenwald, Silvia Roelcke

Silvia Roelcke will einen Wald in Krailling erhalten, den die Gemeinde zugunsten eines Wohnprojekts abholzen will.

(Foto: Georgine Treybal)

Für ein neues Projekt zum Betreuten Wohnen soll in Krailling eine Fläche von 5000 Quadratmetern gerodet werden. Bürger wollen dies verhindern, nun muss sich der Landtag damit befassen

Von Carolin Fries, Krailling

Silvia Roelcke steuert eine mächtige Buche an. Auf Brusthöhe setzt sie die Kluppe an den Stamm, ein Gerät zum Messen des Durchmessers. 40 Zentimeter. "Noch ein paar Jahrzehnte, und das ist ein toller Biotop-Baum", sagt sie. Doch ob die Buche jemals einen Stammdurchmesser von 80 Zentimetern oder mehr erreichen wird, ist fraglich. Der Gemeinde Krailling liegen Pläne für den Neubau einer Einrichtung für Betreutes Wohnen auf dem Tisch. 38 Wohnungen sind in unmittelbarer Nähe zum Altenheim Maria Eich geplant, die Schober Stiftung will den Bau finanzieren, die Caritas das Haus betreiben. 5000 Quadratmeter Wald müssten dafür weichen - unter anderem die Buche, die Silvia Roelcke soeben vermessen hat. Die 55 Jahre alte Dolmetscherin will den Wald retten und setzt sich dafür ein, dass das Betreute Wohnen umgeplant wird. Roelcke hat Ende 2017, unterstützt von sechs Kraillinger Bürgern, eine Petition beim Bayerischen Landtag eingereicht. Am Donnerstag, 11. April, findet ein Ortstermin des Umweltausschusses im Wald statt.

Es ist nicht so, dass es nur um ein paar Bäume an der Rudolf-von-Hirsch-Straße geht. Das Gebiet gehört zum Landschaftsschutzgebietes "Kreuzlinger Forst", es ist als Bannwald geschützt, als Klimaschutzwald, Kaltluftentstehungsgebiet und Erholungswald der Stufe eins deklariert und liegt gegenüber eines Eichen-Hainbuchenwaldes, der ein "geschützter Landschaftsbestandteil" ist. Silvia Roelcke sagt, das müsse eigentlich ausreichen, um dort nicht zu roden. Doch die Gemeinde hat im Sommer beim Landratsamt die Herausnahme aus dem Landschaftsschutz beantragt und sich dabei auf die "Wünsche der jetzigen und künftigen Altenheimbewohner" bezogen, sowie auf das Raumordnerisches Entwicklungskonzept München Südwest (ROEK), wonach Bauflächen in einem Radius von 600 Metern um S- und U-Bahnhaltestellen geschaffen werden sollen. Aktuell wartet man im Rathaus auf die Ergebnisse artenschutzrechtlicher Untersuchungen. Ohne diese hat der Gemeinderat bislang sein Einvernehmen verweigert. Denn: Nur wenige hundert Meter entfernt liegt der Klosterwald Maria Eich mit mehr als 250 Jahre alten Eichen. 2015 konnten bei Untersuchungen 240 Holzkäferarten nachgewiesen werden, darunter 88 Arten, die als gefährdet gelten. Für besonderes Aufsehen aber sorgte der Nachweis von acht sogenannten Urwaldreliktarten, die nur in sehr alten und besonders totholzreichen Wäldern vorkommen.

Ob noch immer bedrohte Käferarten und womöglich auch geschützte Fledermäuse, Reptilien und Vögel auch im Wald an der Rudolf-von-Hirsch-Straße vorkommen, werden die Untersuchungen zeigen. Für Roelcke ist ein anderer Punkt bedeutsam: "Wir sollten die Bäume als Habitate für die Zukunft bereithalten", sagt sie. Schließlich kriege man eine 250 Jahre alte Eiche nicht von heute auf morgen her. Für sie steht fest: "Der Klosterwald ist langfristig für den Erhalt der Käfer zu klein." Der Bund Naturschutz (BN) im Landkreis unterstützt die Petenten. In seiner Stellungnahme schreibt der Vorsitzende Günter Schorn von "Dimensionen des Bauvorhabens", die "für die Waldnachbarschaft unverträglich" seien. Er geht insbesondere auf den Eichen-Hainbuchenwald auf der gegenüberliegenden Seite der Rudolf-von-Hirsch-Straße. Die Biotopvernetzung würde durch die Baumaßnahme erheblich eingeschränkt. Der BN hatte eigens ein Gutachten zu den Vernetzungspotenzialen des Biodiversitätsprojekts Maria Eich auf dem Gebiet der Gemeinde Krailling anfertigen lassen.

Das Bayerische Bau- und Verkehrsministerium nennt das Vorgehen der Gemeinde in seiner Stellungnahme indes "nachvollziehbar". Es beruft sich wie die Gemeindeverwaltung auf das (ROEK). Die Bannwaldfunktion könne durch Ersatzaufforstungen ausgeglichen werden. Das junge Bestandsalter der Rodungsfläche lasse erwarten, dass die Wirksamkeit der Waldfunktionen rasch wiederhergestellt werden könne. Zudem seien auf dem Gelände des Betreuten Wohnens umfangreiche Begrünungen geplant, heißt es. "Man muss den Mut haben, auch mal Wald zu roden", sagt der CSU-Landtagsabgeordnete Klaus Steiner aus Traunstein. Er wird als Berichterstatter für den Umweltausschuss nach Krailling kommen. Natürlich müsse Ersatz geschaffen werden, betont er. Grundsätzlich aber handele er nach dem Prinzip der Waldwirtschaft: "Schützen und nützen." Neben ihm wird Florian von Brunn (SPD) aus München zum Ortstermin nach Krailling kommen. Er sagt, er habe sich "intensiv mit der Aktenlage auseinandergesetzt". Der nahegelegene Klosterwald habe "enorme Wertigkeit", und auch die Bannwaldfunktion sei nicht einfach vom Tisch zu wischen. Im Mittelpunkt stehe aber die Frage, ob der Eingriff alternativlos sei. Nur dann sei er gerechtfertigt. Eine Entscheidung wird der Ausschuss frühestens im Mai treffen.

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