Nahverkehr:Der U-Bahn-Visionär

Planegg: BHF U-Bahn Pionier: Christian Finkensieper

Christian Finkensieper, der inzwischen in Gräfelfing wohnt, wünscht sich eine U-Bahn, die bis nach Planegg fährt.

(Foto: Nila Thiel)

Vor 27 Jahren hatte Christian Finkensieper aus Krailling die Vision, die U 6 bis nach Martinsried zu verlängern. In diesem Jahr erfolgt der Spatenstich. Der Verkehrsexperte aus Leidenschaft hat längst neue Ideen

Von Carolin Fries, Krailling/Gräfelfing

Das Münchner Baureferat hatte sich damals mit einem Formbrief bedankt, die Bürgermeister der Würmtalgemeinden und Germerings nahmen den Packen Papier mehr oder weniger emotionslos entgegen. Dass aus der 17-seitigen Informationsschrift eines 25 Jahre alten Studenten aus Kraillinger einmal etwas werden sollte - damit hatte niemand gerechnet. Nur Christian Finkensieper selbst hatte freilich an seine Vision geglaubt. Er hat 1990 seine Idee einer Verlängerung der U-Bahnlinie 6 vom Klinikum Großhadern nach Martinsried grob umrissen und an die Entscheidungsträger verteilt. Im kommenden Jahr, 27 Jahre später, soll nun der Spatenstich für das Projekt erfolgen.

Der Name von Christian Finkensieper taucht seit 1990 freilich kaum mehr in der Berichterstattung über die U-Bahn-Erweiterung auf. Im Vordergrund stehen stets die Fakten: Der Münchner Kreistag beschließt die Verlängerung am 20. Juli 2009, das bayerische Kabinett gibt im Dezember 2014 seine Zustimmung. In den Folgejahren wird viel über die Finanzierung gestritten, der Zeitplan verschiebt sich. Und Christian Finkensieper? Er wartet. Er tut das geduldig, weiß er doch, dass ein Vorhaben dieses Formats Zeit braucht. Er schließt sein BWL-Studium ab, findet einen Job bei einer Bank in München, heiratet, gründet eine Familie, zieht nach Gräfelfing. Finkensieper bleibt seiner Idee und dem Verkehrsthema treu. Er sammelt weiter Unterlagen, nimmt an Workshops des MVV und der Stadt München teil, wo er unter anderem erfährt, wie weit S- und U-Bahnhöfe voneinander entfernt liegen müssen und wie hoch das Grundwasser in München steht. Was ihn daran reizt, kann er selbst nicht erklären. Doch greift er sogleich zu Stift und Zettel und beginnt zu zeichnen, wenn er seine Ideen - beispielsweise zum Bahnhofsareal in Planegg - darstellen will. Dabei hat er die Gebäude ebenso im Blick wie die Infrastruktur. Stadt- und Verkehrsplanung, das geht für ihn nur gemeinsam.

Inzwischen pendelt Finkensieper bereits mehr als die Hälfte seines Lebens mit dem Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) in die Innenstadt und kennt die Höhen und Tiefen dieser Zweckgemeinschaft. Natürlich ärgert auch er sich immer wieder über ausgefallene oder überfüllte Züge. "Doch wenn man nur schimpft, tut sich nichts", sagt er. Deshalb habe er damals einen "konstruktiven Vorschlag gemacht, wie man die bestehenden Verhältnisse klug weiterentwickeln kann". Eigeninteressen habe er dabei hinten angestellt, die U6 nutzt er kaum.

Ursprünglich hatte er ja die Idee, die U-Bahn-Strecke an die S-Bahnlinie S 6 anzuschließen, direkt in Planegg. Es erschien ihm einfach sinnvoll, noch mehr Verknüpfungspunkte im S-und U-Bahn-Netz jenseits der Stammstrecke zu schaffen und diese damit zu entlasten. Er war derart überzeugt, dass auch die Politik den Reiz dieser Verknüpfung erkennen würde, dass er sogar zwei Zehn-Jahres-Wetten abschloss - die er beide verlor, was ihn unter anderem ein teueres Essen in einem Münchner Feinkost-Restaurant kostete. "Im Münchner Osten hat es ja auch mit der Linie zur Messestadt geklappt", sagt er. Im Norden habe man U-Bahn-Verbindungen zur S1 geschaffen, im Süden Neuperlach an das S-Bahn-Netz gekoppelt. Nur im Westen, wo beharrlich neuer Wohnraum geschaffen werde, hinke man beim Ausbau eines öffentlichen Verkehrsnetzes hinterher. "Damals habe ich auf Granit gebissen", erinnert sich Finkensieper. Weil jede Gemeinde nur bis zur eigenen Ortsgrenze denke und an die hohen Kosten, sagt er. Finkensieper ärgert das. Er hat ein Verkehrskonzept West entwickelt, wonach die U6 nicht in Martinsried und auch nicht in Planegg endet - sondern weiterfährt bis nach Germering und Puchheim. Die U3 lenkt er auf seinen fiktiven Plänen weiter über Neuried und Lochham nach Freiham. Die U5, die bis Pasing verlängert werden soll, wünscht er sich über Westkreuz und Neuaubing ebenfalls bis nach Freiham. Von dort wäre eine Anknüpfung an die S8 denkbar. An seinem Computer hat er die farbigen Linien bereits entsprechend angeordnet und verlängert, im Ausdruck erscheinen die Änderungen, als gäbe es sie bereits. "Auch wenn ich es nicht mehr erlebe - das kommt", sagt er voller Überzeugung. Wetten traut er sich allerdings nicht mehr. Unter anderem, weil es ein Konkurrenzprojekt der Stadt gibt, die U9, die im Norden die Strecke zum Flughafen entlasten soll. Im Frühjahr will der Münchner Stadtrat einen Prioritätenbeschluss treffen, Finkensieper hat vor, sein Konzept bis dahin noch einmal dem Stadtrat zukommen lassen.

Dann wird er warten. Das kann er gut. 2022 wird er dann vielleicht einmal mit der U 6 nach Martinsried fahren und sich still freuen, dass dieser unterirdische Kilometer seinen Gedanken entsprungen ist.

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